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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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bringen.« Sie wandte sich zum Haus um und drückte Seichan im Vorbeigehen die Hand. »Danke, dass Sie mitgekommen sind. Gray bürdet sich immer zu viel auf. Es ist schön, dass Sie da sind.«
    Seine Mutter ging zur Hintertür des Hauses und ließ Seichan auf dem Hof zurück. Sie rieb sich die Hand, an der sie noch die Wärme der Berührung spürte. Sie hatte eine unerklärliche Beklemmung in der Brust. So oberflächlich der Kontakt auch gewesen war, ging ihr die familiäre Enge doch schon auf die Nerven.
    An der Tür drehte Harriet sich zu ihr um. »Möchten Sie nicht lieber drinnen warten?«
    Seichan wich zurück. Sie zeigte zur Straße. »Ich warte auf der Veranda«, sagte sie.
    »Es wird bestimmt nicht lange dauern.« Mit einem traurigen, bedauernden Lächeln schloss sie hinter sich die Tür.
    Seichan wartete einen Moment, dann ging sie zurück zur Garage, denn sie wollte sich irgendwie beruhigen. Sie machte das Licht aus, schloss das Tor und lief zur Vorderseite des Hauses. Sie trat auf die Veranda und ließ sich auf die Bank sinken, gebadet in den Lampenschein, der aus dem Wohnzimmer fiel. Sie kam sich angreifbar vor in diesem hellen Licht, doch es war niemand unterwegs. Vor ihr erstreckte sich die Straße – dunkel und unbelebt, aber äußerst einladend. Am liebsten wäre sie geflüchtet. Die Straßen waren ihre wahre Heimat.
    Dann erloschen nacheinander die Lampen im Haus. Sie hörte gedämpfte Stimmen, konnte aber nichts verstehen. Das leise Geplapper einer Familie. Sie wartete, eingeklemmt zwischen der Leere der Straße und der Wärme des Hauses.
    Schließlich erlosch auch das letzte Licht, und Dunkelheit senkte sich auf den Hof herab; die Haustür wurde geöffnet. Gray trat heraus und seufzte schwer.
    »Alles okay?«, fragte sie leise.
    Er zuckte mit den Schultern. Was hätte er auch sagen sollen? Er kam zu ihr herüber. »Ich würde gern noch eine halbe Stunde bleiben. Mich vergewissern, dass alles ruhig bleibt. Ich kann Ihnen ein Taxi rufen.«
    »Und wohin soll ich fahren?«, milderte sie die trübe Stimmung mit einem Anflug von schwarzem Humor.
    Gray setzte sich neben sie, lehnte sich zurück. Erst nach einer ganzen Weile brach er das Schweigen. »Man bezeichnet das als Sonnenuntergangs-Syndrom«, sagte er, um Luft abzulassen. Vielleicht versuchte er auch nur, seine Gefühle zu ordnen, seinem Schmerz einen Namen zu geben. »Bei manchen Alzheimerpatienten verschlimmern sich die Demenzsymptome gegen Abend. Die Ursache ist unbekannt. Manche Leute glauben, es liege an von der Tageszeit abhängigen hormonellen Veränderungen. Andere sind der Ansicht, die Betroffenen würden Stress und unverarbeitete sensorische Stimuli abreagieren.«
    »Wie häufig passiert das?«
    »In letzter Zeit immer öfter. Drei- oder viermal im Monat. Aber eigentlich sollte er jetzt ruhig durchschlafen. Morgen geht es ihm schon wieder besser.«
    »Und Sie fahren jedes Mal hierher?«
    Erneutes Achselzucken. »Wann immer es geht.«
    Sie schwiegen. Gray blickte in die Ferne, vielleicht auch in die Zukunft. Vermutlich überlegte er, wie lange er das durchhalten würde.
    Da sie den Eindruck hatte, dass ihm eine Ablenkung guttun würde, sprach Seichan ein anderes Thema an. »Haben Sie schon von Ihrem Partner gehört?«
    Gray schüttelte den Kopf. Seine Stimme wurde fester; bei diesem Thema fühlte er sich auf sicherem Boden. »Keine Anrufe. Wahrscheinlich werden die Archivare erst morgen mit der Recherche beginnen. Aber ich glaube, ich weiß jetzt, weshalb der Brief – der Brief, den Franklin dem französischen Wissenschaftler geschrieben hat – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt aufgetaucht ist, da die Gilde aktiv wird.«
    Seichan straffte sich. Bei dem Versuch, sich eine Kopie des Briefs zu verschaffen, wäre sie beinahe aufgeflogen.
    »Sie haben gesagt, Franklins Brief sei vor zwölf Tagen aufgetaucht«, meinte er.
    »Das stimmt.«
    »Das war kurz nach der Entdeckung der Höhle in Utah.«
    »Das sagten Sie schon, aber ich sehe noch immer nicht die Verbindung.«
    »Ich glaube, es läuft auf zwei Worte hinaus, die sich in Franklins Brief finden. Bleichhäutige Indianer. «
    Seichan schüttelte den Kopf und versuchte, sich die entsprechende Briefzeile zu vergegenwärtigen. Sie hatte die Übersetzung so oft gelesen, dass sich ihr der Wortlaut eingeprägt hatte.
    Nun sind alle, die vom Großen Elixier und den Bleichhäutigen Indianern Kenntnis hatten, der göttlichen Vorsehung anheimgefallen.
    Sie begriff noch immer nicht. »Ja, und?«
    Gray

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