Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
einigen Tagen flackert ab und zu eine der Neonröhren im
Konferenzraum. Swensen sitzt genau darunter und nutzt jeden Lichtblitz, sich an
seine Achtsamkeit erinnern zu lassen. Ein Trick seines Meisters, jede Störung
für die tägliche Praxis anzuwenden. Die Tür geht auf und Püchel platzt, die
Zigarette im Mund, mit einem hageren Männchen im Schlepptau mitten in ihre
Besprechung. Die kleine Gestalt überragt den Kriminalrat nur um wenige
Zentimeter, das ovale Gesicht hat eulenhafte Augen mit dicken Tränensäcken und
einen breiten Fischmund. Fast synchron legen einige Kollegen zwei Finger auf
ihre Mundpartie. Püchel stutzt, bemerkt seinen Lapsus und schlägt grinsend die
Glut von der Zigarette. Die merkwürdige Person neben ihm trägt einen
silbergrauen Anzug und einen schwarzen Aktenkoffer. Ihm steht der akkurate
Staatsbedienstete förmlich ins Gesicht geschrieben.
»Entschuldigt,
wenn ich störe, Kollegen! Das ist Oberst Gustav Obermayr! Er arbeitet für die
Abteilung 3 im BND, Auswertung von brisanten Fakten. Der Zwischenfall in Kiel
vorgestern hat die Aufmerksamkeit der Staatssicherheit auf sich gezogen. Ich
hab dem Kollegen Obermayr eine kurze Einweisung in die Besetzung der Soko gegeben,
und er hat mir persönlich versichert, dass seine Dienststelle äußerst sensibel
mit unseren Fahndungsergebnissen umzugehen gedenkt. Aber das kann der Oberst
euch alles viel besser selber sagen, bitte Herr Obermayr!«
»Die
Mitarbeiter im Bundesnachrichtendienst sind zu dem Ergebnis gekommen, dass alle
Fakten, die im Mordfall des Tunesiers Habib Hafside vorliegen, von
staatssicherheitsrelevanter Bedeutung sein könnten«, deklamiert der BND-Mann
monoton. Seine Mundbewegungen ähneln denen eines Karpfens, der stoisch sein
Maul auf und zu macht. »Erstens hätte ich gerne Einblick in alle ihre Berichte
und zweitens bin ich ab heute bei allen ihren Besprechungen dabei. Unter
bestimmten Bedingungen steuert der BND selbstverständlich eigene wichtige
Erkenntnisse zu ihren Ermittlungen bei.«
»Halt,
stopp!«, sagt Colditz ohne sichtbare äußere Erregung. »Sie erklären uns im
Handstreich zur gläsernen Soko! Da sollten vorher schon einige Begriffe geklärt
werden!«
»Bitte
Jean-Claude!«, poltert Püchel los. »Bevor unnötige Fronten aufkommen, der
Innenminister hat den Einsatz von Oberst Obermayr von oben abgesegnet! Er
wünscht von beiden Seiten einen regen Austausch der Fakten!«
»Trotzdem
möchte ich wissen, was die Formulierung ›unter bestimmten Bedingungen‹ für uns
bedeutet!«
Colditz
braune Augen blitzen. Auf seinem sonst regungslosen Gesicht zeichnen sich feine
Wangengrübchen ab. Für die meisten in der Runde höchste Alarmstufe. Kriminalrat
Püchel tritt den Rückzug an.
»Solche
Lappalien können Sie unter sich klären«, erklärt er beschwichtigend. »Mein
Schreibtisch ist brechendvoll!«
Er
steckt die Zigarette, die er die ganze Zeit zwischen zwei Fingern hielt, in den
Mund und rauscht durch die Tür. Der Fischmund setzt sich ohne ein Wort auf
einen der leeren Stühle.
»Also,
Oberst Obermayr, was bedeutet ›unter bestimmten Bedingungen‹?«
»Muss
ich Ihnen sagen, was Sie sowieso wissen, Herr Hauptkommissar? Unsere Behörde
arbeitet mit streng geheimem Material! Es bleibt in meiner Einschätzung, was
davon preisgegeben werden kann! Nur das, meine Anwesenheit dient der
Staatssicherheit! Es besteht der begründete Verdacht einer bevorstehenden
Operation der Al-Qaida !«
Der
letzte Satz lässt Unruhe in der Runde aufkommen. Alle reden durcheinander.
Fragen fliegen hin und her. Nur Obermayr, Colditz und Swensen beobachten das
Spektakel gelassen. Nachdem sich der Lärm wieder gelegt hat, holt der BND-Mann
einen Stapel Fotos aus seinem Koffer und legt sie in einer Reihe auf den Tisch.
»Diese
Personen hier stammen alle aus dem Fotoalbum von Interpol. Ist Ihnen bei Ihren
Ermittlungen irgendeines dieser Gesichter über den Weg gelaufen?«
Swensen
springt sofort der Mann aus dem Hochhaus ins Auge.
»Razak
Sabet«, sagt er und deutet auf ein Foto aus der Bilderreihe des Oberst. Danach
zieht er mehrere Passbilder aus einer Mappe, die auf dem Tisch liegt, und
ordnet sie den jeweils passenden Gesichtern zu.
»Vahid Parvez! Hadi Abdi! Ramin Behzad! Allesamt Kommilitonen von Habib Hafside. Unser Kollege Mielke hat sie mit
viel Mühe von der Ausländerbehörde besorgt.«
Die
Kollegen drängeln sich im Jagdfieber vor den Fotos. Die Spannung im Raum ist
wie elekrisiert. Im selben Moment bleibt Swensen
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