Feuermohn
Situation lösen sollte, schnappte sich die Frau zwei Gläser Champagner von einem vorbeieilenden Kellner und kam schnurstracks auf sie zu. Etwas verlegen schaute Anna zur Seite, und schon ließ die andere sich neben ihr nieder. Sie lächelte wieder, reichte ihr den Champagner. Anna wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, nahm das Glas entgegen und bedankte sich.
„Du gefällst mir.“ Die Hand, die sich ihr Bein entlang bewegte, ließ Anna kurz nach Luft schnappen. Ihr Kopf sträubte sich gegen diese Berührungen, ihr Körper jedoch wollte mehr davon.
Mit einem einzigen Zug leerte sie ihr Glas, und als sie sich der forschen Bauchtänzerin zuwandte, um ein unverfängliches Gespräch zu beginnen, gab diese ihr ohne Vorwarnung einen Kuss. Ihre Lippen waren warm und weich, ihre Zunge spielte zärtlich. Fasziniert erwiderte Anna den Kuss, war jedoch froh, als dieses kurze Intermezzo ein Ende fand, weil ein Lied gespielt wurde, bei dem es die andere nicht auf ihrem Platz hielt. Sie sprang auf, sang lauthals mit, forderte Anna auf, ihr zu folgen. Und dann verschwand sie im Getümmel.
Leichter Schwindel machte sich in Anna breit. Eindeutig ein Zuviel an Champagner! Sie brauchte frische Luft, schlenderte kurze Zeit später durch die große, weiße Flügeltür auf die weitflächige Terrasse.
Ein Mann, der das Kostüm eines Sultans und eine Federmaske trug, rempelte sie an. Wie alle Kostüme war auch dieses verschwenderisch in seiner Pracht. Von seinem Gesicht konnte sie nur die blauen Augen erkennen und einen Mund, dessen sinnliche Lippen leicht geöffnet waren. Sie erwiderte sein Lächeln, schlug jedoch seine Einladung, ihm in eines der Séparées zu folgen, aus. Einerseits wusste sie, dass die neu entdeckte, reichlich beschwipste Abenteuerin in ihr es sich nie verzeihen würde, dass sie nicht mutig genug war, ihm zu folgen, denn sie wollten diesen Rausch nicht nur wahrnehmen, sondern wirklich erleben; als Beteiligte, nicht nur als Zuschauerin. Andererseits war da immer noch die andere Seite ihrer Persönlichkeit. Eine Seite, die für derartige Orgien überhaupt nichts übrig hatte und sich nicht erklären konnte, wie man dermaßen den Kopf verlieren konnte.
Außerdem – und das war viel stärker – mochte sie nicht gefragt werden, ob sie kuscheln oder Sex haben wollte. Sie wollte überrumpelt und überrascht werden, an die Wand genagelt mit harter, fordernder Hand. Von SEINER Hand. Und nur von seiner Hand. Sie sehnte sich nach purer Dominanz, wollte ihre Lust laut herausschreien, wahnsinnig werden vor Gier, wehrlos ihrer Lust ausgeliefert sein … vor Begierde nicht mehr wissen, wo ihr der Kopf stand. Fleischgewordene Träume. Sündig und heiß. Sie wollte ihr Hirn ausschalten … fühlen, ohne zu denken.
Auf der prächtig mit Blumenschmuck und Kübelgewächsen geschmückten Terrasse tummelten sich nur wenige Festgäste. Eine himmlische Ruhe herrschte hier. Nur ab und zu war der klagende Laut eines Käuzchens aus dem nahen Tannenwald zu hören. An die Balustrade gelehnt blickte Anna in den Park und atmete tief. Sie genoss die laue Sommerluft, in der eine betörende Duftmischung von einheimischen Wildkräutern, Rosen, Flieder und altem Oleander lag. Ruhe breitete sich in ihr aus. Erst jetzt bemerkte sie, wie beschwipst sie war. Kichernd hielt sie sich fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Anna!“, ermahnte sie sich mit schwerer Zunge. „Du hast eindeutig zu tief ins Glas geschaut!“ Und im betont affektierten Tonfall fügte sie hinzu: „So etwas gehört sich nicht!“
Sie blickte auf die hell erleuchteten Fenster des Ballsaales, in dem das pralle Leben tobte, und die Gäste sich immer mehr amüsierten, sofern eine Steigerung überhaupt noch möglich war.
Die Musik drang bis nach draußen, zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht.
Was für ein Abend! Und was für ein Mann! Anna seufzte leise, und obwohl sich ein Teil von ihr immer noch darüber ärgerte, dass sie Aarons Charme nun ebenfalls erlegen war, geriet ein anderer, wesentlich größerer Teil ins Träumen.
Daran ist nur dieser verdammte Champagner Schuld. Teufelszeug!
Mit geschlossenen Augen begann sie zu tanzen. Sie vernahm nichts als diese sinnliche Musik, tanzte sich auf einen anderen Planeten durch viele Traumbilder hindurch. Sie versank im Nichts.
Plötzlich spürte sie zwei Hände auf ihren Hüften. Jemand tanzte hinter ihr und bewegte sich mit ihr zusammen im Takt. Aaron … hoffte sie … wollte sich aber nicht umdrehen, aus
Weitere Kostenlose Bücher