Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
Vom Netzwerk:
Matthias’ Einschätzung wog mehr als Dóras – als Mann war er ihrer Meinung nach eher in der Lage, eine nüchterne Entscheidung zu fällen. Dóra musste innerlich grinsen.
    »Ich?« Matthias hatte das Gespräch mitverfolgt, aber nicht damit gerechnet, etwas beisteuern zu müssen. Vorsichtig legte er das Schmalzgebäck weg, von dem Grímheiður zum selbst aufgebrühten Kaffee einen vollbeladenen Teller auf den Tisch gestellt hatte. »Tja, ich denke, ich würde weitermachen und Jósteinns Geld als Schadenersatz für Jakobs Verletzungen ansehen. Die Sache ist nun mal passiert, und auch wenn es dir zuwider ist, etwas von diesem Mann anzunehmen, ist das langfristig und objektiv gesehen die vernünftigste Entscheidung.«
    »Du meinst, es ist einerlei, woher das Gute kommt.« Die Frau wirkte zufrieden mit Matthias’ Antwort und schenkte ihm Kaffee nach. »Aber was würden die Leute davon halten?«
    »Spielt das eine Rolle?« Matthias meinte das vollkommen ernst, er gab nichts auf die Meinung anderer. »Es geht doch um Jakob und nicht um irgendwelche Nachbarn.«
    Grímheiður stellte die Kaffeekanne vorsichtig auf einen Untersetzer, den Jakob gebastelt haben musste. Ihre blassen Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, die sie verschämt wegwischte. »Entschuldigt bitte, ich weiß gar nicht, was mit mir los ist.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe auch einen Sohn und eine Tochter, ich verstehe, wie du dich fühlst. Das, was Jakob gestern Abend und im letzten Jahr durchgemacht hat, ist schwer zu verkraften. Du schlägst dich wirklich tapfer.«
    »Danke«, murmelte Grímheiður, so dass es kaum zu hören war. »Er muss einfach zurück nach Hause, ich habe solche Angst um ihn. Was, wenn sie ihn wieder ins Sogn stecken? Was macht dieser Jósteinn dann? Sticht er dann wieder auf Jakob ein, damit er nach Reykjavík kommt? Die Krankenhäuser haben doch kein Geld und können Jakob nicht ewig dabehalten.«
    »Ich rate dir, mit der Verwaltung zu sprechen, vielleicht mit Rückendeckung durch das Krankenhaus. Das Sogn ist eine medizinische Einrichtung, kein Gefängnis, es ist also nicht unwahrscheinlich, dass diese Institutionen gemeinsam beschließen können, Jakob anderweitig unterzubringen, natürlich in Absprache mit dem Gericht. Es lässt sich bestimmt eine Übergangslösung für ihn finden. Leider muss da wohl auch Ari als Jakobs Betreuer hinzugezogen werden, aber wenn du willst, rede ich mit ihm.«
    »Ich war noch nie gut darin, mit den Behörden zu reden, und mit diesem Anwalt schon gar nicht.« Grímheiður warf Dóra einen hastigen Blick zu. »Ich kann solchen Leuten nie richtig klarmachen, was ich auf dem Herzen habe.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte Dóra. Womöglich konnte Einvarður seine Beziehungen im Justizministerium spielen lassen, dazu gehörte auch die Gefängnisverwaltung. Das war das Mindeste, was Dóra für Grímheiður tun konnte.
    »Ich wäre dir wirklich sehr dankbar.« Zwei weitere Tränen kullerten, aber Grímheiður wischte sie sofort weg, schniefte und riss sich zusammen. »Wie kommst du denn eigentlich voran? Hast du etwas gefunden, das Jakob helfen könnte?«
    Dóra erzählte ihr, womit sie gerade beschäftig war, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Man konnte nicht wissen, ob ihre Bemühungen Erfolg haben würden, und sie wollte der Frau auf keinen Fall zu große Hoffnungen machen. »Ich brauche noch ein paar Tage, bis ich beurteilen kann, ob es genug Gründe für eine Wiederaufnahme gibt.«
    »Wollt ihr sein Zimmer sehen?«, fragte Grímheiður aus heiterem Himmel. Vielleicht wollte sie Dóras Mitgefühl wecken und ihre Entscheidung dadurch beeinflussen.
    »Gerne.« Matthias schoss vom Küchenstuhl hoch, voller Panik, mit einer weinenden fremden Frau in einer winzigen Küche festzusitzen.
    Sie folgten Grímheiður durch den mit Teppichboden ausgelegten Flur zu Jakobs Zimmertür. »Hier ist es und wartet darauf, dass Jakob zurück nach Hause kommt.« Sie öffnete die Tür und bedeutete ihnen einzutreten.
    »Wie hübsch«, bemerkte Dóra, nur um etwas zu sagen. Das Zimmer war nichts Besonderes, wie die ganze Wohnung voll mit Nippes und eigentlich drei Nummern zu klein für die Möbel, die darin standen. Kein Staubkörnchen war zu sehen. Dóra ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. »Das hast du aber wirklich gut in Schuss gehalten, ich wünschte, bei mir wäre es auch so sauber.«
    »Man hat ja nicht viel, womit man sich beschäftigen kann. Jakob hat nie gerne

Weitere Kostenlose Bücher