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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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ungerecht, dass sie dir wichtiger sind als Jakob, der noch lebt. Außerdem kann ich bestimmt auch alles, was ich wissen will, von Tryggvis Vater Einvarður erfahren. Er hat mir zugesichert, mir bei allem behilflich zu sein.« Sie erwähnte nicht, dass Einvarður anscheinend sorgfältig auswählte, was er Dóra mitteilte.
    »Du brauchst ihn damit nicht zu belästigen«, entgegnete Glódís schon weniger überheblich. »Ich überprüfe, wo Ragna ist, und sage dir Bescheid, vorausgesetzt, sie hat nichts dagegen, dich zu treffen.«
    »Das wäre sehr freundlich.«
    »Ich bezweifle allerdings, dass dabei irgendwas Vernünftiges herauskommt …«, sagte Glódís, legte den Bleistift weg und rieb sich die Hände. Sie knabberte an ihrer Unterlippe, merkte es aber sofort und beherrschte sich wieder. »Außerdem möchte ich betonen, dass Tryggvi zwar gewisse Fortschritte gemacht hat, erhebliche sogar, aber dabei darf man seinen Ausgangszustand nicht vergessen. Tryggvi war sehr stark autistisch, so dass auch große Fortschritte bei ihm nicht bedeuteten, dass er Heilungschancen hatte. Beileibe nicht.«
    »Du hältst es also nicht für möglich, dass er nachts durchs Haus gegangen ist?«
    »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Fortschritte drehten sich vor allem darum, dass er plötzlich einen gewissen Kontakt zu seinen Mitmenschen aufnehmen konnte. Er hat sich mit niemandem unterhalten, aber er hat Dinge, die man ihm gezeigt hat, wahrgenommen und versucht zu reagieren.«
    »Hat er gesprochen?«
    »Nein, davon war er weit entfernt. Er hat sich auf andere Weise ausgedrückt, mit Zeichnungen, Berührungen und Körpersprache. Das war natürlich alles sehr primitiv, aber trotzdem ein wahnsinniger Erfolg, wenn man bedenkt, dass Tryggvi seine Umwelt bis dahin überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Wobei das vielleicht etwas übertrieben ist, er hat Menschen schon bemerkt, aber nie versucht, mit ihnen in Kontakt zu treten. Die Nähe anderer Menschen war ihm unangenehm, besonders wenn es Fremde waren.«
    »Deine fachliche Einschätzung ist also, dass er nicht an der Brandstiftung beteiligt gewesen sein kann?«
    »Absolut.« Glódís klang überzeugend. »Da bin ich mir ganz sicher.«
    »Und was kannst du mir über Friðleifur und seinen Alkoholkonsum auf der Arbeit sagen? Gibt es dafür auch keine Beweise?«
    »Ich bestreite nicht, dass er verdächtigt wurde. Aber das hat sich als haltlos herausgestellt, wir haben einen Alkoholtest gemacht, bei beiden Nachtwächtern sogar dreimal, und das Ergebnis war immer dasselbe: Die Männer waren stocknüchtern. Es war immer nur ein Verdacht, deshalb habe ich dir auch nichts darüber erzählt. Ich möchte keine Gerüchte in Umlauf bringen.«
    »Und was ist mit Drogen? Können sie was damit zu tun gehabt haben? Normale Alkoholtests, die man in der Apotheke bekommt, sagen darüber nichts aus.«
    »Sie haben keine Drogen genommen. Nachdem dieses Gerücht aufgekommen war, bin ich an den Wochenenden, wenn sie ihre Schicht beendet hatten, immer im Heim gewesen, und sie standen nie unter Drogen. Sie waren immer nur müde nach einer langen Nachtschicht.« Das Telefon auf Glódís’ Schreibtisch klingelte, und sie entschuldigte sich bei Dóra. Aus dem Hörer drang eine dumpfe, ziemlich verzweifelt klingende Männerstimme. Glódís errötete leicht und fiel ihrem Gesprächspartner dann ins Wort: »Ich habe gerade Besuch, kann ich dich nachher zurückrufen?« Sie verabschiedete sich und wandte sich wieder an Dora: »Wo waren wir stehengeblieben?«
    Das Gespräch ging noch etwas weiter, aber Glódís’ Blick wanderte ständig zum Telefon, und ihre Antworten waren fahrig. Daher ließ Dóra es gut sein und beendete ihren Besuch, indem sie Glódís das Versprechen abnahm, einen Kontakt zu Ragna herzustellen. Glódís brachte Dóra nach draußen und schloss, als sie sich verabschiedet hatten, die Tür hinter sich. Auf dem Weg durch den Flur konnte Dóra ihre Stimme hören.
     
    »Sie war gerade bei mir, ich konnte nicht reden.« Glódís merkte, dass sie viel zu laut sprach, wie immer, wenn sie besorgt war. Sie hatte schon gedacht, Dóra würde nie gehen, und Einvarður wartete die ganze Zeit auf ihren Rückruf. Glódís wollte ihn auf keinen Fall verärgern, hatte ihm aber auch nicht sagen können, wer vor ihr saß. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, sie wolle einen Streit anzetteln, jedenfalls klang er total gereizt, als er nach dem ersten Klingeln abnahm.
    »Was wollte sie?«
    »Sie will Ragna treffen.

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