Feuernacht
Mal, seit Lena es aufgegeben hatte, sie über die nächtlichen Vorgänge im Heim anzulügen, ergriff Matthias das Wort: »Wie viel hat es gekostet?« Er rutschte auf seinem viel zu kleinen Stuhl herum, der nicht für einen erwachsenen Mann gemacht war.
»Weiß ich nicht, zu mir haben sie dreitausend gesagt, aber ich wusste, wie gesagt, nicht, dass das ein richtiges Business war. Sie hätten bestimmt viel mehr nehmen können, von einigen zumindest.«
»Und was war da alles inbegriffen?« Matthias hatte die Sache anscheinend noch nicht richtig verstanden, was allerdings auch kein Wunder war. Vielleicht dachte er, er hätte sich mal wieder verhört.
»Tja, das weiß ich natürlich nicht so genau, ich kann nur sagen, was sie mir und meiner Freundin angeboten haben.«
»Und das war?«
»Sie hat was in die Vene bekommen, das haben sie Tropf genannt … und Sauerstoff.«
»Und danach war sie wieder nüchtern?«, fragte Dóra, die ihre Zweifel kaum verbergen konnte. Lenas Bericht war so absurd, dass es ihr genauso schwerfiel wie Matthias, ihre Worte zu begreifen.
»Absolut.« Lena gestikulierte mit den Händen. »Es war unglaublich, wie Magie. Sie war vielleicht nicht stocknüchtern, aber wir konnten zumindest wieder in die Stadt fahren. Sie war vorher echt total breit gewesen und hat die Sache nicht bereut.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat Friðleifur dir davon erzählt.«
»Ja, vielleicht hab ich das nicht genau genug erklärt. Also, ich saß sonntagmorgens bei ihm im Zimmer, während meine Mutter bei Tryggvi war. Als ich ihn nach den Bierdosen im Mülleimer gefragt habe, hat er gesagt, er hätte einem Kumpel geholfen, wieder nüchtern zu werden, und ein anderer, der auch dabei war, hätte das Bier getrunken. Dann hat er mir erklärt, wie das geht, und mir angeboten vorbeizukommen, wenn ich mal Bedarf hätte. Als meine Freundin dann so besoffen war, wollte ich es einfach mal ausprobieren. Ein Freund von uns ist gefahren.« Sie wurde wütend, versuchte aber, es zu überspielen. »Er ist mit auf dem Foto, das auf Facebook gelandet ist. Das haben wir gemacht, als meine Freundin den Sauerstoff gekriegt hat … Aber ich verstehe trotzdem nicht, wie ihr mich gefunden habt, ich habe doch die Tags gelöscht?!« Da Dóra und Matthias nicht darauf eingingen, sprach sie weiter: »Ich fand’s echt nervig, dass es so lange gedauert hat, vielleicht weil es so billig war. Friðleifur hat gesagt, man könnte auch einen Kater damit wegkriegen, aber das würde er nicht so oft machen, weil er immer nur nachts und frühmorgens im Heim wäre. Die meisten wachen ja erst mittags mit einem Kater auf.«
»Und wo fand diese Sauerstoffgabe statt, wenn ich fragen darf?«
»Äh.« Lena schloss kurz die Augen und öffnete sie dann sofort wieder. Sie hatte einen hochroten Kopf. »Herrgott, ich wünschte, ich wäre da nie hingegangen. Und wisst ihr, was am ätzendsten ist? Wir sind noch nicht mal mehr Freundinnen, und sie hat mir diesen ganzen Mist eingebrockt.«
Dóra und Matthias hatten nur begrenztes Mitleid wegen dieser geplatzten Freundschaft. »Wo fand das mit dem Sauerstoff statt, Lena?«, wiederholte Dóra.
Lena bekam noch rötere Wangen. Vielleicht glaubte sie immer noch, Dóra und Matthias davon überzeugen zu können, sie aus der Geschichte rauszuhalten. »In einem der Zimmer, wo es einen Sauerstoffanschluss gab.«
»In einem leeren Zimmer?«
»Äh … nein, meine Freundin …«, begann sie aufgebracht, »… meine ehemalige Freundin war bei Lísa im Zimmer. Das weiß ich, weil ich gesehen hab, wie Margeir mit ihr da reingegangen ist.«
»Und Lísa hat da nichts zu gesagt, oder wie?« Matthias kannte die Bewohner nicht so gut wie Dóra und erinnerte sich wahrscheinlich nicht mehr an Lísas Zustand.
»Sie war nicht bei Bewusstsein und hat es gar nicht mitbekommen.« Lena wich ihren Blicken aus. »Glaube ich zumindest.«
»Und deine Freundin hat dabei auf einem Stuhl gesessen, oder was?« Dóra hoffte, dass es so gewesen war.
»Keine Ahnung, das nehme ich mal an. Ich bin ja nicht drin gewesen.« Lenas Wangen nahmen wieder eine einigermaßen normale Farbe an. »Ihr müsst mir glauben, dass mir das total leidtut, ich weiß sehr wohl, dass das nicht richtig war. Aber ich habe es ja nicht gemacht, das waren Friðleifur und Margeir, die haben Schuld.«
»Wir sind keine Richter, Lena«, entgegnete Dóra. »Wir wollen nur herausfinden, ob Jakob unschuldig ist. Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum du uns
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