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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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waren die nächsten Nachbarn ziemlich weit entfernt, und das Feuer konnte sich eine beträchtliche Zeitlang ungestört ausbreiten. Erst als die Nachbarn vom Lärm der tobenden Flammen und vom Rauchgeruch aufwachten, holten sie Hilfe.
    Die Feuerwehrleute konnten in den Trümmern erst nach Überlebenden suchen, als sie den Brand einigermaßen im Griff hatten. Sie fanden nur noch die Leichen der vier Bewohner und des Nachtwächters. Die Heimleiterin Glódís Tumadóttir wurde durch einen Anruf aus dem Tiefschlaf gerissen, und als sie sich gefasst hatte, gab sie an, dass sich sechs Personen im Haus hätten aufhalten sollen, woraufhin die Suche nach dem Vermissten sofort begann. Da zu diesem Zeitpunkt noch niemand identifiziert worden war, gestaltete sich die Suche ziemlich ziellos. Dennoch fand die Polizei Jakob innerhalb einer Stunde. Er irrte durch die Straßen des Grafarholt-Viertels, roch nach Benzin und war panisch vor Angst. Als die beiden Polizisten, die ihn entdeckt hatten, aus dem Wagen stiegen und auf ihn zugingen, rannte er weg, konnte sie aber nicht abhängen. Jakobs Fluchtversuch besiegelte das Gerichtsurteil, zumal sich seine Fingerabdrücke auf dem Zwanzig-Liter-Benzinkanister befanden, der auf dem Grundstück gefunden wurde, und er keine Erklärung für die Geschehnisse abgeben konnte. Das Urteil nahm volle Rücksicht auf Jakobs Entwicklungsdefizit. Seine ablehnende Haltung gegenüber seinem Umzug in das Heim wurde ausführlich beschrieben, und man vermutete, dass die Tat damit zusammenhing. Es bestand kein Zweifel daran, dass Jakob den Brand gelegt und dadurch fünf Menschen in den Tod gerissen hatte. Die Richter stimmten jedoch dem Gutachten der hinzugezogenen Spezialisten zu, dass Jakob aufgrund seiner geistigen Behinderung strafunfähig sei. Die Gutachter hielten ihn jedoch für gefährlich, weshalb er in einer geeigneten Institution untergebracht werden sollte. Und deshalb saß er jetzt in der Anstalt für psychisch kranke Straftäter Sogn.
    Das Heim war auf sechs Bewohner ausgerichtet, aber nur vier waren bei dem Brand ums Leben gekommen. Jakob war der fünfte, aber Dóra konnte in dem langen Bericht nichts über den fehlenden sechsten Bewohner finden. Irgendwo in dem Stapel musste es eine Erklärung dafür geben. Als sie zu Jakobs Aussagen vor Gericht und den zahlreichen Verhören kam, die er über sich ergehen lassen musste, verlor sie mehrmals den Faden. Der Mann war weit davon entfernt, eine klare und deutliche Aussage zu machen, er erzählte mehr wie ein Kind, seine geistige Entwicklung stand in keinem Zusammenhang mit seinem Alter. An einer Stelle fand Dóra einen Hinweis auf seinen IQ , der noch nicht mal fünfzig betrug, während der durchschnittliche IQ eines Menschen bei hundert lag. Sie notierte sich, dass sie recherchieren musste, was dieser IQ von achtundvierzig bedeutete. War Jakob auf dem Stand eines zwei-, fünf- oder zwölfjährigen Kindes? Konnte man solche Vergleiche überhaupt anstellen?
    Jakob sprach sehr viel darüber, was er an jenem Abend gemacht hatte, und lieferte fast so viele unterschiedliche Erklärungen für sein panisches Herumirren in Grafarholt, wie es Verhöre gegeben hatte: Er sei auf dem Weg zu seiner Mutter gewesen, hätte Hunger gehabt und sich ein Eis kaufen wollen, könne sich an nichts erinnern, hätte Angst gehabt und so weiter – aber er sei nicht vor dem Brand davongelaufen. Jakob konnte nicht erklären, warum seine Fingerabdrücke auf dem Benzinkanister waren, und da schnell Zweifel aufkamen, ob er die Frage richtig verstanden hatte, holte man den Kanister und zeigte ihn Jakob. Er reagierte sehr heftig, kniff die Augen zu und machte sie immer erst dann wieder auf, wenn der Kanister weg war. Dies stärkte den Verdacht, dass er der Täter war, weil der Kanister ihn an seine Tat und deren Folgen erinnerte. Diese Stelle des Urteils fand Dóra problematisch. Jakobs Angst ließ sich durchaus auch damit erklären, dass er den Brand mit dem Kanister in Verbindung brachte, weil er gesehen hatte, wie jemand das Benzin verschüttet hatte. Das würde auch erklären, warum er nach Benzin roch. Aber vielleicht war das keine sehr stichhaltige Theorie, zumal Jakob nichts dergleichen ausgesagt hatte. Er hätte keinen Grund gehabt, so etwas zu verschweigen, es sei denn, er fürchtete sich vor dem wirklichen Täter. Dóra musste über sich selbst lächeln. Sie interpretierte viel zu viel in die Aussagen hinein, wahrscheinlich konnte Jakob gar nicht zwischen Realität und

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