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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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bekommen hatte, hielt er sich für Spiderman. Er schwang immer noch keine großen Reden, begann aber langsam, etwas mehr zu sprechen.
    Sóley öffnete den Mund, um ihren Neffen zu korrigieren, hielt jedoch inne und biss stattdessen in ihren Toast. »Ach ja! Du musst mir noch helfen, ein Kostüm zu finden. Kolla hat Geburtstag, und alle sollen im Kostüm kommen!« Wahrscheinlich hätte außer ihrer Mutter kaum jemand verstanden, was sie mit vollem Mund gesagt hatte.
    »Wann ist denn dieser Geburtstag?« Dóra wusste, dass es heute oder morgen sein musste, denn ihre Tochter war darauf spezialisiert, solche Ereignisse so kurzfristig wie möglich anzukündigen.
    »Nachher.« Sóley schluckte hörbar.
    Dóra hätte zwar am liebsten vorgeschlagen, sie solle sich als Unsichtbarer verkleiden, und die Kostümierung bestünde daraus, gar nicht hinzugehen, hielt sich aber zurück. »Vielleicht können Oma und Opa dir helfen.«
    Sóley stimmte lächelnd zu. »Wann wachen die anderen endlich auf? Ich finde, die haben jetzt wirklich genug geschlafen.«
    »Sie sind noch müde von gestern Abend. Lassen wir sie noch ein bisschen schlafen.« Mit gemeinsamer Anstrengung hatten Dóra, Matthias, Dóras Eltern, ihr Sohn Gylfi und dessen Freundin Sigga die Garage leer geräumt und Platz für die neuen Mitbewohner geschaffen. Währenddessen hatte Sóley auf Orri aufgepasst, der, zur begrenzten Freude der Beteiligten, die ganze Zeit beim Umzug helfen wollte. Die Garage war bis zur Decke mit irgendwelchem Krempel vollgestopft gewesen, und es blieb keine Zeit, die Sachen ordentlich auszumisten. Stattdessen wurde der ganze Kram auf die Abstellkammer und den Gartenschuppen verteilt, der bis dahin kaum genutzt worden war. »Sie stehen bestimmt gleich auf und wollen Kaffee und Frühstück haben.«
    »Spietermann.« Orri betrachtete andächtig den verkleideten Mann auf seiner Brust. Sein Frühstück hatte er noch nicht angerührt, da er den Blick nicht von dem Superhelden abwenden konnte.
    »Spiderman, nicht Spietermann.« Sóley hatte genug von den ständigen Wiederholungen. »Er heißt Spiderman.«
    »Spietermann.« Orri wandte seinen Blick weder von dem Bild auf seinem T-Shirt ab, noch ließ er sich von der Korrektur auch nur im Geringsten aus dem Konzept bringen.
    »Warum kann er nicht besser sprechen, Mama?« Dóra kannte das genervte Gesicht ihrer Tochter schon, wenn sie Orri mit der gleichaltrigen Schwester ihrer Freundin verglich, die dem Kleinen sprachlich gesehen weit voraus war.
    »Dafür kann er andere Dinge, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ehe du dich versiehst, kann er sprechen, und dann wärst du froh, wenn er wieder den Mund halten würde.« Sóley war eindeutig anderer Meinung, und Dóra wechselte rasch das Thema. »Hast du Mjása heute Morgen gefüttert?« Die Katze hatte sich ungewöhnlicherweise noch nicht blicken lassen, obwohl sie sonst die Erste im Haus war, die etwas zu essen verlangte und damit den Beginn eines neuen Tages einleitete.
    Sóley nickte und schluckte den letzten Bissen herunter. »Mjása wollte nicht auf dich warten. Sie wäre fast gestorben vor Hunger.«
    »Klar.« Die Katze fraß mehrmals täglich und nahm trotzdem nicht zu. Wenn jemand an der Küche vorbeiging, war sie direkt zur Stelle und miaute kläglich. »Sie konnte natürlich nicht auf so eine Schlafmütze wie mich warten.« Als Dóra endlich ins Bett gegangen war, hatte sie ihr Handy nicht mehr gefunden und keine Lust gehabt, es zu suchen. Deshalb hatte sie keinen Wecker gehabt und verschlafen. Jetzt sah sie das Handy unter einem Küchenhandtuch hervorlugen, das zusammengeknüllt auf der Küchentheke lag. Sie reckte sich danach und sah, dass sie einen Telefonanruf und eine SMS verpasst hatte. Das war ziemlich ungewöhnlich, denn es rief selten jemand nachts an. Die Zeiten, als sie noch zu den unmöglichsten Uhrzeiten Partyeinladungen von amüsierwütigen Freundinnen bekommen hatte, waren vorbei, und auch wenn sie sich gern daran erinnerte, vermisste sie nichts. Auf dem Display erschien
No number
, aber Dóra konnte sehen, dass der Anruf gegen drei Uhr eingegangen war, lange nachdem sie ins Reich der Träume geglitten war. Die SMS war fünf Minuten später gekommen, über
ja.is
, aber man konnte nicht feststellen, ob beides von derselben Person stammte. Wenn dem so war, hatte die betreffende am Computer gesessen oder war übers Handy ins Internet gegangen.
    Als Dóra die Nachricht las, war sie so entsetzt, dass ihr das Handy aus der Hand

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