Feuernacht
ist Diebstahl.«
»Hast du dein Bild zurückbekommen? Was war denn darauf?« Vielleicht hatte Jakob einen Bericht oder irgendein Papier aus Tryggvis Zimmer genommen. Den Gerichtsunterlagen nach hatte der Autist nie engeren Kontakt zu anderen Menschen gehabt.
»Glódís hat es mir nie wiedergegeben. Aber ich wollte es haben, da war jemand drauf, der schreit. Und Buchstaben, aber die hab ich nicht verstanden.«
»Und Tryggvi hat dir das Bild geschenkt? Hat er was zu dir gesagt?«
»Nein, er hat es mir nur gegeben. Das ist genauso ein Geschenk, wie wenn man was sagt. Er konnte nicht sprechen.«
Dieses Gespräch schien zu nichts zu führen. Jakobs Angriff auf Glódís hatte offenbar mit seiner Wut über die Ungerechtigkeit zu tun, der er sich ausgesetzt fühlte; erst hatte man ihm sein Zuhause genommen und dann eine Zeichnung. »Tryggvi war also dein Freund. Das ist schön.«
»Armer Tryggvi.« Jakob kniff die Augen zusammen und murmelte etwas Unverständliches. Dann riss er sie auf und starrte Dóra an. »Sieh mich an. Sieh mich an.«
Dóra, die ihn während des Gesprächs kaum aus den Augen gelassen hatte, schaute ihn weiter an. »Ich sehe dich, Jakob. Willst du mir etwas sagen?« Plötzlich wurde Jakob ganz kraftlos und sackte auf seinem Stuhl zusammen.
»Ich will Kuchen.« Seine Stimme wurde quengelig wie bei einem kleinen Kind. »Ich hab alle Fragen beantwortet.«
»Nur einen Moment noch, Jakob, dann bekommst du Kuchen.« Dóra hoffte, dass das auch stimmte. Sie hatte keine Ahnung wie die Essenszeiten geregelt waren, gut möglich, dass es streng verboten war, zwischen den Mahlzeiten zu essen. »Was glaubst du, wer das Heim angezündet hat, Jakob? Du kannst mir das ruhig sagen, ich erzähle es niemandem weiter. Es würde mir nämlich sehr helfen, wenn du mir das sagst, du hast ja alle gekannt.« Sie hätte sich nicht solche Mühe mit der Frage zu geben brauchen, denn die Antwort kam prompt.
»Das war ein Engel. Ein Engel mit einem Heiligenschein, einem kaputten Heiligenschein.«
»Kanntest du diesen Engel?« Vielleicht meinte er einfach einen guten Menschen.
»Nein, ich kenne keine Engel. Die gehören alle zu Gott.«
»Wenn ein Engel das Haus angezündet hat, dann kann es doch kein Engel von Gott gewesen sein.« Dóra schüttelte den Kopf, um ihre Aussage zu bekräftigen. »Engel sind gut, und wer gut ist, legt keinen Brand und verletzt Menschen. Woher weißt du, dass es ein Engel war? Hat er dir das gesagt?«
»Nein, ich weiß es eben. Ich hab ihn fast ganz gesehen, und er war sehr nett. Er wollte, dass die anderen aufhören zu weinen.«
Trotz der uneindeutigen Personenbeschreibung hatte Dóra endlich eine Spur. Jakob schien jemanden bei der Tat beobachtet zu haben. Falls man seinen Worten überhaupt Glauben schenken konnte. »Und was hat der Engel gemacht, als du ihn gesehen hast?«
»Er ist in mein Zimmer gekommen, mit einem Koffer. Es hat gestunken. Dann ist er weitergegangen.«
»Wohin ist er gegangen, Jakob? Ist er zum Himmel aufgestiegen?« Dóra wollte wissen, wie verrückt die wirkliche Geschichte war.
»Er ist nur weitergegangen, in die anderen Zimmer.« Jakob lehnte sich plötzlich an seine Mutter. »Es war furchtbar heiß.«
»Warum hast du das nicht der Polizei erzählt, Jakob? Vielleicht hätten sie den Engel finden können und ihn bestraft und nicht dich. Sie glauben, dass du das Feuer angezündet hast.«
»Ich habe ihnen von dem Engel erzählt, aber sie wollten nicht mit mir darüber reden. Sie haben gesagt, ich soll nicht lügen.«
»War bei der Polizei niemand nett zu dir?« Dóra wusste, dass bei den Verhören ein Therapeut anwesend war. Natürlich war es möglich, dass diese Engelgeschichte bei einem Verhör zur Sprache gekommen, aber nicht protokolliert worden war, was ein grober Ermittlungsfehler gewesen wäre.
»Niemand war nett, nie, alle waren wütend auf mich.« Er schloss die Augen und schmiegte seine Wange an die seiner Mutter. Grímheiður sah traurig aus, die Erinnerung setzte ihr eindeutig zu.
»Waren da nur Polizisten dabei?«
»Ich will nicht darüber reden. Ich will nach Hause.« Jakob machte die Augen nicht wieder auf und schmiegte sich noch fester an seine Mutter.
»Vielleicht darfst du nach Hause, Jakob, wenn du weiter so schön mit mir sprichst. Du machst das sehr gut, und ich bin mir sicher, dass du bald Kuchen bekommst.« Sie beschloss, weitere Gespräche über die Verhöre auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Sie musste noch Aris Akten
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