Feuerprinz
einen Schritt zur Seite, öffnete seine Schwingenund hieb seine Klauen in Degans Rücken, als dieser an ihm vorbeistürmte. Degan schrie auf, während er zu Boden ging und ein glühender Schmerz die Luft aus seinen Lungen presste. Hilflos ruderte er mit den Armen, doch Suragons scharfe Klauen hatten sich fest in seinen Rücken gekrallt, so dass Degan ihn nicht mehr abschütteln konnte.
»Elven will den Kopf des Halbgreifen!«
Mit Schrecken erkannte Degan, dass es dem Greif aus dieser Position ein Leichtes wäre, ihm das Genick zu brechen.
Degan ließ sich nach vorn ins Gras fallen und landete auf dem Bauch. Der Schmerz des Aufpralls war so groß, dass er darum kämpfte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Doch wie er gehofft hatte, verlor Suragon beim Aufprall das Gleichgewicht. Seine großen Schwingen behinderten ihn am Boden so sehr, wie sie ihn in der Luft zu einem wendigen Gegner machten.
Dies war seine einzige Gelegenheit, Suragon zu entkommen. Obwohl es gefährlich war, rollte Degan sich auf den Rücken und entdeckte zwei schwarze Schwingen am Himmel … Dawon!
Während Suragon unbeholfen aufstand, streckte Dawon seinem Sohn die Arme entgegen und stieß im Sturzflug zu ihm hinab. Degan kam mit einem Sprung auf die Beine. »Vater!«, rief er, so laut er konnte.
Kurz bevor er in vollem Flug auf die Erde stürzte, schlug Dawon einen Haken, ergriff Degan unter den Achseln und stieg gemeinsam mit ihm in den Himmel. Suragon sah ihnen nach, folgte ihnen jedoch nicht. Stattdessen wandte er sich nun, da er einen anderen Greif in der Nähe wusste, dem Wald zu, in dem er seine Beute – Lin – festgesetzt hatte. Degan wusste, sie hätten ihm folgen sollen, doch da war Suragon auch schon zwischen den Baumkronen verschwunden.
Degan lag auf dem Bauch und ließ die keifende Waldfrau seine Wunden mit getrockneten Kräutern und Salben versorgen. Ihre Vorwürfe ertrug er mit stoischem Schweigen. Sein Vater hockte vor ihm und beobachtete das Geschehen mit der unbedarften Neugierde, die ihm zu eigen war. »Degan war sehr unvorsichtig«, pflichtete Dawon der Alten bei, was Degan dazu veranlasste, sich am unvermeidlichen Gespräch zu beteiligen. »Suragon bringt Lin zurück nach Engil.« Das leuchtende Schimmern, das plötzlich und ohne Vorwarnung die Hütte erfüllte, ließ ihn aufseufzen. Es war ein untrügliches Zeichen, dass seine Mutter Nona erschienen war.
Fand Degan schon zu seinem Vater keinen rechten Zugang, so war ihm die Lalufrau, die ihn als Menschenfrau geboren hatte, erst recht fremd. Er hätte ebenso gut eine Waise sein können; Degan war sich sicher, es hätte sich nicht anders angefühlt. Trotzdem riss er sich zusammen. Dawon hatte ihn vor dem sicheren Tod gerettet.
Als Nona ihn mit ihrer durchscheinenden Hand berührte, zuckte er zusammen und richtete sich auf. Die Verletzungen der Peitsche waren nicht allzu schlimm, doch sie hatte tiefe Wunden in seine Selbstachtung geschlagen. Degan vermied es, seine Mutter anzusehen. Stattdessen betrachtete er Dawon, der, die Arme um die Knie geschlungen, neben dem Feuer hockte und eine Schale Nüsse verspeiste. Sein Vater hatte eigentlich immer Hunger – und wurde von der Waldfrau gefüttert wie ein kuscheliges Haustier.
Hier gehörst du nicht hin, Degan!
»Sobald Belamons Schwinge verheilt ist, werden wir die anderen Greife suchen und in die Oase zurückkehren.«
Die Äuglein der Waldfrau funkelten voller Verachtung. »… und ganz Engil einer Schreckensherrschaft überlassen?«
Degan wappnete sich. Dieses Mal würde sie ihn nicht überreden können! Er war nun wieder ganz Greif, seine menschlichen Gefühlsanwandlungenhatte er zurückgedrängt. »Was kümmert es euch? Ihr Waldfrauen habt euch immer aus allem herausgehalten und den Wald von Isnal als freies Land gesehen.«
Die Alte kam ächzend hoch und stellte die Salbe, mit der sie seinen Rücken behandelt hatte, in ein schiefes Bretterregal zurück. »Aber das ist vorbei. Die Grenzen sind verschwommen, und selbst Muruks Geschöpfe beachten sie nicht mehr. Du musst es einsehen, Halbgreif: Es geht nicht mehr um Lin, sondern um die Göttin. Wenn
er
über sie triumphiert, dann wird
er
Engil beherrschen und die Menschen … und uns ebenfalls.«
Degan fühlte sich in die Enge getrieben und wollte raus aus dieser Hütte, in der ihn sein naiver Vater, seine seltsame Mutter und die alte Waldkröte bedrängten. »Das ist nicht mein Problem!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er auf, öffnete die Tür und trat
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