Feuerprinz
erzählt hast. Sie würden über dich herfallen wie Schjacks und dir die Schuld an allem geben. So ist der Pöbel nun einmal. Ihr Ärger sucht sich immer das wehrloseste Opfer.«
Lin nickte und war froh, dass sie in Jevana eine Vertraute hatte. Die Menschen um sie herum gaben unwillig den Weg frei. »Hilf uns, Tochter von Engil!«, riefen sie fordernd hinter ihr her. Lin spürte ihre Wut und ihre Angst beinahe körperlich.
Als sie die Unterstadt erreicht hatten, vernahmen sie plötzlich verängstigte Rufe, die vom Stadttor zu ihnen herüberhallten. Lin blieb stehen. »Was ist das?«
Die zweite Priesterin hob die Brauen und sah besorgt in Richtung des Stadttores. »Ich weiß nicht, aber es hört sich nicht gut an.«
Gemeinsam liefen sie zu dem großen Platz vor dem Tor, wo sich ein Ring aus Menschen gebildet hatte. Lin hielt Jevana am Arm fest. Sie schienen etwas oder jemanden in ihrer Mitte eingekesselt zu haben und riefen wild durcheinander. Wut und Gewalt lagen in der Luft. Falbrindbauern hielten ihre Mistgabeln wie Speere und streckten sie dem unsichtbaren Feind in ihrer Mitte entgegen. Einige Männer waren in ihre Häuser gelaufen und kamen mit Schwertern zurück – es waren alte Krieger, Taluk, die noch von Tojar mit ihrer Sippe nach Engil geführt worden waren.
Lin und Jevana tauschten fragende Blicke. Da stand ein rebellischer Haufen, der bereit war, sich und Engil bis zum Tod zu verteidigen. Doch gegen was oder wen? Die Torwachen waren nirgends zu sehen, wahrscheinlich waren sie in Anbetracht der sich aufheizenden Stimmung geflohen.
Plötzlich starrte Jevana mit offenem Mund; sie bekam kaum noch einen Ton heraus. Lin versuchte noch immer, einen Blick in den Ring aus Leibern zu erhaschen. Sie reckte den Kopf, jedoch vergeblich.
Jevana stammelte: »Bei Sala, das ist doch nicht möglich!«
Einige der Männer bemerkten Lin, lösten sich aus dem Belagerungskreis und kamen auf sie zugestürmt. Ihre Stimmen überschlugensich. »Du musst etwas tun! Sie behaupten, dass der Prinz ihnen erlaubt hat, hier zu sein. Aber das kann nicht sein! Schick sie fort!«
»Wen?«, gelang es Lin zu stammeln, während Jevana auf den Kreis wies. »Lin, was hat das zu bedeuten?«
Endlich öffnete sich der Verteidigungsring der aufgebrachten Menschen. Lin konnte eine Gruppe hochgewachsener Gestalten in dunklen Umhängen erkennen, deren Köpfe von Kapuzen bedeckt waren. Als einer von ihnen den Überwurf zurückschlug, verstand Lin, was die Engilianer und auch Jevana aus der Fassung gebracht hatte. Wahrscheinlich hatte die Gruppe gehofft, sich mit Hilfe der Umhänge unbemerkt nach Engil einschleichen zu können. Sie musste sich beherrschen, nicht laut aufzuschreien. »Warum sind sie hier … haben sie das gesagt?«
Der Mann neben ihr schüttelte heftig den Kopf. »Sie verlangen, zu Elven gebracht zu werden.« Er sah sie mit vor Angst aufgerissenen Augen an. »Tu etwas, Tochter von Engil!«
Lin winkte denjenigen zu sich, der seine Kapuze abgenommen hatte, obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte. Sie musste jetzt unbedingt einen klaren Kopf bewahren. Die Engilianer gaben ihm den Weg frei, während sie seine Gefährten weiter mit ihren Mistgabeln bedrohten und den Ring um sie schnell wieder schlossen.
Als hätte das etwas genutzt …
Lin spürte ihr eigenes Blut in ihren Ohren rauschen. Der Anführer der Gruppe blieb vor ihr stehen und starrte sie an. Als er zu sprechen begann, klang seine Stimme samtig. »Jayamon ist gekommen, weil der Prinz von Engil ihn gerufen hat.« Er musterte sie mit Augen, so blau wie der Himmel über Engil. Sein weißes, fast hüftlanges Haar rahmte das makellose Gesicht. Er war ein Greif! Nur langsam sickerte die Tragweite dieser Erkenntnis in ihren Verstand. Elven hatte Greife nach Engil gerufen?
Lin trat einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sich und Jayamon zu bringen. »Ihr seid in Engil nicht willkommen.«
Jayamon lächelte nicht, war aber auch nicht beleidigt. Ein derartiges Gefühlsbewusstsein besaß ein Greif nicht. Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, antwortete er: »Elven hat Jayamon gerufen, weil er Steine für seinen Tempel braucht. Jayamon ist bereit, ihm Steine aus dem Mugurgebirge nach Engil zu bringen. Also führe Jayamon zu Elven, damit er den Handel besiegeln kann.«
Lin überlegte, was sie tun sollte. Um sie herum standen verängstigte Menschen, die hören wollten, dass der Prinz von Engil die Greife nicht gerufen hatte. Auch die sonst selbstbewusste Jevana hatte sich
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