Feuerprobe der Liebe - 1 Teil der Miniserie The great London fire - Historical Bd 217
Verbindung zu durchdenken, da er von Jakobs Beziehung zu Desirée erfuhr.
Der Gedanke beunruhigte ihn. Er wusste, dass er früher oder später für immer in England bleiben würde. Diesmal war er gekommen, um sich mit den Ländereien und den Pächtern Swiftbournes vertraut zu machen, aber er war noch nicht sicher, ob er wirklich hier bleiben wollte, solange sein Großvater noch lebte. Die Rolle des pflichtbewussten – oder ungeduldigen – Erben gefiel ihm nicht. In England wollte er nur bleiben, wenn er eine Aufgabe fand, die sein Bedürfnis nach Unabhängigkeit erfüllte. Im Umgang mit Desirée musste er wesentlich vorsichtiger werden. Mit ihren Gefühlen und Erwartungen wollte er auf keinen Fall spielen.
In der Zwischenzeit lautete sein oberstes Ziel, für ihre Sicherheit zu sorgen. Er stand auf und folgte ihr ins Haus.
In Godwin House gab es nur sehr wenige Spiegel, und die meisten davon waren weggeräumt worden, um sie vor dem Feuer zu retten. Desirée musste mehrere Räume durchsuchen, ehe sie einen fand. Um sich gut sehen zu können, hielt sie eine Kerze hoch. Die Narben waren noch da, genau so wie sie sie in Erinnerung hatte. Zwei gezackte Linien auf ihrer Wange. Vielleicht waren sie etwas weniger auffällig als in ihrer Kindheit. Eine weitere Narbe gab es an ihrem Bein, die sich bis über die Hüfte zog, das war jedoch egal, denn niemand bekam sie jemals zu sehen. Wichtig waren nur die Narben auf ihrem Gesicht.
Mit dem Finger zog sie die hässlichen Linien nach. Es war lange her, seit sie sie das letzte Mal so genau betrachtet hatte. Schön waren sie nicht, aber auch nicht – jedenfalls kam es ihr so vor – widerwärtig. Heute war sie vielen Fremden begegnet, und keiner von ihnen hatte sich benommen, als fände er ihren Anblick abstoßend. Neugier hatte sie in ihren Blicken gelesen, aber keinen Abscheu.
Seit sie vor sechs Jahren Kilverdales grausame Worte gehört hatte, wurde Desirée verfolgt von der Vorstellung, zurückgewiesen zu werden. Rückblickend erkannte sie, dass eine Heirat mit ihm in mehr als einer Hinsicht ein Missgriff gewesen wäre. Der Royalist, der gerade aus dem Exil zurückgekehrt war, und sie als Tochter eines der Verbündeten Cromwells stammten aus verschiedenen Welten. Die Hinrichtung des Königs hatte Lord Larksmere nicht gutgeheißen und sich danach aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, mit Cromwell hingegen hatte er immer auf gutem Fuße gestanden.
Ein knarrendes Dielenbrett erschreckte sie. Das große Haus knarrte und ächzte überall. Meistens bemerkte sie es kaum, doch an diesem Abend hob sie die Kerze und sah sich in dem kaum genutzten Raum um. Etwas Beunruhigendes konnte sie nicht entdecken. Die ältesten Teile des Hauses waren vor mehr als einem Jahrhundert errichtet worden. Selbst die neuesten Anbauten ließen sich achtzig Jahre zurückdatieren, bis zur Regentschaft von Königin Elizabeth. Den neuen Flügel hatte Desirées Großvater erbauen lassen, Arscotts Großvater war einer der Steinmetze gewesen, die daran gearbeitet hatten.
Ihr Großvater war schon vor ihrer Geburt gestorben. Sie kannte ihn nur von seinem Porträt, das gewöhnlich in dem großen Salon hing, und von den Geschichten, die ihr Vater erzählte. Er war überzeugter Anhänger der römisch-katholischen Kirche gewesen, der seinem Sohn – Desirées Vater – niemals verzieh, Protestant geworden zu sein. Es war eine seltsame Vorstellung, dass sie trotz dieses Familienzwists so viel von ihm geerbt hatte. Nicht nur das Haus, in dem sie lebte, sondern auch die Verbindung zwischen ihrer und Arscotts Familie, die sich mindestens drei Generationen zurückverfolgen ließ. Noch immer konnte sie kaum glauben, dass der Verwalter sich all das hatte zuschulden kommen lassen, was Jakob behauptete.
Jakob.
Wieder wandte sie sich dem Spiegel zu und wagte es, an das zu denken, was auf dem Dach geschehen war.
Wenn du das noch einmal machst, dann sitzt du gleich mit hochgeschobenen Röcken und gespreizten Beinen auf meinem Schoß.
Bei der Vorstellung, die diese deutlichen Worte in ihr weckten, errötete Desirée vor Verlegenheit, doch eine Zurückweisung, wie sie zuerst geglaubt hatte, stellten sie nicht dar. Ungalant, unromantisch und grausam direkt – das alles waren sie, aber keine Zurückweisung. Eher eine Warnung, sie hatte seine Lust bis zur Grenze erregt. Er begehrte sie so sehr, dass er sie um ein Haar gleich dort auf dem Dach genommen hätte.
Sie stemmte eine Hand gegen die Wand neben dem Spiegel.
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