Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
dass sie sich gegenseitig anpöbelten und einander mit den Krallen die Haut aufschlitzten. Gleichzeitig schnüffelten und glotzten sie immer noch in alle Richtungen, in der Hoffnung, dass die Beute, die so appetitlich gerochen hatte, wieder auftauchte.
Maria nahm das alles wahr, doch es kümmerte sie kaum. Sie war in diesen Momenten vollkommen in Anspruch genommen von dem Zustand, in dem sie sich befand. Sie war nicht nur unsichtbar und unangreifbar – sie befand sich auch in nächster Nähe zu Gerald, so nah, dass es fast nicht auszuhalten war. Es war, als hätte man sie verschmolzen, notgedrungen, denn nur so hatte sein Zustand auf sie übergreifen können. Was er fühlte, wie es ihm dabei ging, wusste sie nicht, aber er war ihr näher, als er es auf körperliche Weise jemals hätte sein können.
Konnte etwas Verrückteres geben, als mit der Person zu verschmelzen, in die man heimlich verliebt war? Es fühlte sich furchtbar gut an – überwältigend gut – doch es war auch überaus beängstigend. Sie hatte Angst, er könnte etwas bemerken, zu viel von ihr erfahren, zu deutlich spüren, wie es ihr ging. Alles war möglich in diesem Zustand!
Ein Speer durchbohrte plötzlich den Kopf der einen Echse, so dass sie mit einem lauten Pardauz zu Boden klatschte. Die andere, deren Hunger größer zu sein schien als ihre Intelligenz, stürzte sich sofort auf ihren schwer verletzten Artgenossen und riss ihm ein riesiges Stück Fleisch aus der Flanke, woraufhin das durchbohrte Tier markerschütternd schrie.
Ritter Gangwolf, der den Speer geworfen hatte, sprang auf das schreiende Tier und rammte dem zweiten ein langes Messer zwischen die Rippen, was es allerdings nicht umbrachte. Doch fast zeitgleich bohrten sich drei von Viegos Pflöcken in den Hals des Tiers, was es dazu veranlasste, eine wahre Woge an schleimiger, grüner Flüssigkeit auszuspucken und dann über seinem Artgenossen zusammenzubrechen. Ritter Gangwolf nutzte die Gelegenheit, um sein Messer aus dem sterbenden Tier herauszuziehen und damit das Leben des anderen Tiers zu beenden, in dem immer noch sein Speer steckte. Es war eine Riesensauerei, aber am Ende waren beide Tiere tot.
„Haul hat zwei erledigt und Lissi einen!“, rief Viego. „Macht fünf. Zwei müssen noch unterwegs sein!“
„Drei! Den verletzten Pantol gibt es auch noch.“
„Nein, der hat den Geist aufgegeben.“
„Zwei also“, sagte Gangwolf und rannte hinter Viego aus dem Kabinett, um die Jagd fortzusetzen.
Auf dem Boden bildete sich ein See von Echsenblut, das sich mit dem ausgespuckten Schleim vermischte, und die beiden Tiere bildeten einen wahren Berg aus totem Fleisch, der das Kabinett fast ganz ausfüllte. Und sie stanken. Maria merkte es, als sie sichtbar wurde und ihre greifbar gewordene Nase den Dienst wieder aufnahm.
Aber es machte ihr nichts aus. Sie war benommen und hing wie berauscht dem Zustand hinterher, den sie gerade verlassen hatte. Gerald ließ sie los, langsam und vorsichtig, und sah auch so aus, als müsste er erst mal wieder zu sich kommen.
„Es hat geklappt“, sagte er fast tonlos.
„Ja“, erwiderte sie. „Danke, Gerald.“
Sie saßen nebeneinander und starrten die toten Echsen an.
„Wie kommt dein Vater hierher?“, fragte Maria verwirrt.
„Wahrscheinlich auf dem gleichen Weg wie die da!“
Wieder Schweigen. Und sie rührten sich nicht. Bis Gerald endlich sagte:
„Tut mir leid.“
Die Sonne schien ins Kabinett, die Situation war mehr als skurril. Da lag das zertrümmerte Tischchen unterm Fenster, Gerald und Maria saßen daneben, an die Wand gedrückt. Vor ihnen der Berg aus zwei toten Echsen und ein See aus rotbraungrüner Flüssigkeit, der sie schon erreicht hatte und sowohl Marias Rock wie auch Geralds Hose durchnässte.
„Was tut dir leid?“, fragte Maria mit einem sehr mulmigen Gefühl im Magen.
Hatte er es gesehen? Er hatte es bestimmt gespürt! Es war ja kein Wunder, dass er es mitbekam in dem Zustand, in dem sie gewesen waren. Er wusste, dass sie über beide Ohren in ihn verknallt war! Warum tat es ihm sonst leid?
„Na ja, wie soll ich es sagen …“, begann er. „Ich glaube, es ist etwas zu … persönlich, wenn man sich zusammen auflöst.“
Maria nickte, weit davon entfernt, erleichtert zu sein.
„Ich weiß, was du meinst“, sagte sie vorsichtig. „Aber es hat mir das Leben gerettet!“
„Ja, es ließ sich wohl nicht verhindern.“
Maria fing fast an zu zittern vor Aufregung. Wusste er es? Oder wusste er es
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