Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Grohann, wie machen das so Zauberer wie Hylda, dass sie immer noch jung aussehen, obwohl sie uralt sind?“
„Warum willst du das wissen?“
„Unwichtig. Sagen Sie mir einfach, wie das geht, dass man viel jünger aussieht, als man es ist!“
„So viele Falten hast du doch noch gar nicht“, sagte Grohann, den Lisandras Frage sichtlich amüsierte.
„Nein, aber ich habe einen Freund, der für immer sechzehn bleiben wird. Im Moment ist das in Ordnung, weil ich fast genauso alt bin, aber in fünf oder zehn Jahren wird es problematisch. Und stellen Sie sich mal vor, wie es in fünfzig Jahren sein wird! Ich werde so aussehen wie Estephaga und er ist immer noch ein hübscher, sechzehnjähriger Jüngling!“
„Lass das Estephaga nicht hören. Sie ist erst dreiunddreißig.“
„Ach ja? Ich kann das immer schwer einschätzen. Wie alt sind Sie, Grohann?“
„Das ist relativ.“
„Wieso relativ? Sie müssen mir nur die Zahl der Jahre sagen!“
„Die sagt nicht viel aus. Ich bin vielleicht eines der ältesten, lebenden Wesen auf dieser Welt, aber aus der Sicht meiner Spezies bin ich noch blutjung.“
„Warum? Wenn Sie eines der ältesten, lebenden Wesen sind, wie können dann Ihre Verwandten noch älter sein als sie? Ist das nicht ein Widerspruch?“
„Sie sind tot, deswegen sind sie nicht älter als ich.“
„Ach so“, sagte Lisandra betroffen. „Hatte ich gerade vergessen. Sie meinen Amuytan und diese ganze Sippe, die Yu Kon getötet hat?“
„Ja, die meine ich. Sie waren sehr alt, die meisten von ihnen. Viele Weltzeitalter alt.“
„Weltzeitalter! Heißt das, es gab sie schon, bevor Amuylett besiedelt wurde? In der anderen Welt, die untergegangen ist?“
„Das hast du richtig erfasst. Es gab sie auch schon, bevor diese letzte Welt besiedelt wurde. Es gab sie hier in Amuylett, bevor Amuylett das letzte Mal unterging. Und in der anderen Welt, bevor sie unterging. Und davor und davor und davor. Sie zogen zwischen dieser und der anderen Welt hin und her, Weltzeitalter für Weltzeitalter. Ich hingegen wurde hier geboren, relativ am Anfang der neuen Zeit.“
Lisandra war beeindruckt.
„Das ist ja toll! Sie sind fast so alt wie diese Welt?“
„Nicht wie diese Welt. Nur wie das Zeitalter, das mit Otemplos, Torck und den anderen Erdenkindern begonnen hat.“
„Haben Sie sie gekannt?“
„Nur Otemplos habe ich manchmal gesehen. Bei meinem Großvater.“
„Unglaublich!“
„Du erinnerst dich daran, gute Lisandra, dass du es nicht herumerzählen sollst?“
„Ja, natürlich, ich habe es auch niemandem erzählt!“
„Brav.“
„Und Sie sind wirklich der Einzige, der noch übrig ist? Von all diesen uralten … Wesen?“
„Ja, leider. Aber ich bin auch kein richtiger Satyr. Ich bin nur ein Mischwesen aus Tiermensch und Satyr.“
„Amuytan war ein Satyr?“
„Satyr oder Faun, so nennt man ihn meistens, aber das trifft es nicht ganz. Es gab normale Satyrn und Faune und eben diese Wesen wie Amuytan, deren Macht sehr viel größer und deren Lebenszeit sehr viel länger war.“
Lisandra nickte beeindruckt.
„Ich weiß nicht, wie hoch meine Lebenserwartung ist“, sagte Grohann nachdenklich, „da ich keinen anderen Satyr-Mischling kenne. Ein paar Weltzeitalter könnten es wohl werden, wenn mich keiner umbringt.“
„Dann habe wir ja noch viele gemeinsame Jahre vor uns!“
„Schön wär’s.“
„Sie sind also blutjung, ja? Aus der Sicht eines Satyrs.“
„Ja. Jung und unwissend.“
Lisandra musste lachen.
„Ein paar tausend Jahre alt, aber jung und unwissend!“
„Ich glaube, sie nahmen einen erst für voll, wenn man mindestens einen Weltuntergang überstanden hat. Aber all das ist mittlerweile ohne Belang. Ich bin der letzte von der Sorte und auch nur ein Mischling, danach wird es keine Satyrn mehr geben.“
„Warum? Sie könnten doch Kinder haben?“
„Die werden kürzer leben als ich und so geht es immer weiter. Das Satyr-Blut verliert sich, aber das ist kein Schaden. Sie hielten sich für unfehlbar nach all den gelebten Weltzeitaltern. Versteh mich nicht falsch, ich habe meinen Großvater geliebt und verehrt. Aber er war in mancherlei Hinsicht auch schwierig.“
„In welcher Hinsicht?“
„Er hat seine jüngste Tochter davongejagt, weil sie einen Tiermenschen geheiratet hat. Er hat sie verbannt aus dem Wald von Tamen. Du kannst dir jetzt nichts darunter vorstellen, aber für einen Satyr ist das der Rauswurf aus dem Paradies. Jeder andere Ort wirkt auf einen Satyr
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