Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
vorm Spiegel, einsam und verloren. Eine Schmetterlings-Haarspange. Eine der Spangen, auf die Geralds Mutter gezeigt und gesagt hatte:
„Hübsch. Sieht aus wie Jugendstil.“
Mühsam bekämpfte er den müden Widerstand in seinen Beinen, stand auf und hob die Spange auf. Sie kam ihm sehr wertvoll vor, als er sie zwischen seinen Fingerspitzen hielt und betrachtete. Etwas von Maria steckte darin und das war es vermutlich, was ihn so anrührte. Er steckte sie in seine Hosentasche, umschloss sie dort mit der Hand und machte sich auf den Weg zur Krankenstation.
Dort wollte man ihn nicht hineinlassen. Mehrere Maküle standen Wache und verweigerten Gerald den Zutritt. Aber für ein bisschen Unangreifbarkeit reichte es immer noch und so marschierte er ein Stück weiter, ging einfach durch die Wand und wurde auf der anderen Seite wieder sichtbar.
Er hörte die Stimmen von Grohann und Hylda in einem der Zimmer und so ging er vorsichtig in diese Richtung und blieb im Türrahmen stehen. Maria lag auf ihrem Krankenbett wie eine Tote und war an verschiedene Apparaturen angeschlossen. An der Wand flackerte das Bild einer Flamme. Gerald wusste nicht viel über magikalische Medizin, aber so etwas hatte er schon mal gesehen. Die Flamme zeigte den Zustand eines Patienten an, der in Lebensgefahr schwebte. Eine große, kräftige Flamme war ein gutes Zeichen. Eine kleine, schwache Flamme wie die von Maria war weniger gut.
Außer Hylda und Grohann stand auch noch Estephaga am Bett. Thuna saß am Ende des Betts auf einem Stuhl. Sie war offensichtlich die einzige Freundin, der erlaubt worden war, bei Maria zu bleiben. Gerald wurde klar, dass er nur störte, wenn er blieb. Darum kehrte er durch die Wand zurück, durch die er die Krankenstation betreten hatte, in der Absicht, sich auszuruhen und später wieder vorbeizuschauen.
Draußen auf dem Gang suchte er sich eine dunkle Ecke, in der ihn niemand sah und von der aus er bemerken würde, wenn jemand die Krankenstation betrat oder verließ oder sonst etwas passierte. Hier setzte er sich auf den Boden, stützte die Arme auf die Knie und seinen Kopf darauf. Es war nicht weiter verwunderlich, dass er in kürzester Zeit einschlief. Als er wieder aufwachte, musste die halbe Nacht vergangen sein.
Die Maküle bewachten nach wie vor die Krankenstation, deswegen nahm Gerald den bewährten Weg durch die Wand. Als er wieder sichtbar geworden war und in Marias Krankenzimmer trat, drehte sich Grohann nach ihm um. Er saß am Bett bei Maria und sonst war das Zimmer leer. Keine Thuna, keine Hylda, keine Estephaga. Es roch stark nach Magie, nach Heilzaubern aller Art, ein Fenster war geöffnet, sonst wäre man wahrscheinlich verrückt geworden von diesem Duft. Die Flamme an der Wand, die Marias Zustand anzeigte, war weiß geworden.
„Frag mich besser nicht“, sagte der Steinbockmann.
„Sie konnten ihr nicht helfen?“
„Nein.“
„Geht es ihr schlechter?“
„Siehst du die Flamme? Sie ist weiß und bald wird sie blau. Danach erlischt sie.“
„Wie viel Zeit bleibt noch?“
„Bis zum Morgengrauen vielleicht. Ein, zwei Stunden, mehr nicht.“
Gerald trat neben Grohann ans Bett. Maria lag dort, bleich und leblos, mit geschlossenen Augen. Ihre Arme lagen auf der Decke, so wie man sie gebettet hatte. Eine magikalische Maschine atmete für sie, eine andere unterstützte ihren Herzschlag.
„Was ist das Problem?“, fragte Gerald. „Was fehlt ihr?“
„Wir kriegen sie nicht mehr wach. Ihr Bewusstsein kehrt nicht zurück und ihr Gehirn gibt nach und nach seine Funktion auf. Im Moment sind es nur noch die Maschinen, die ihren Körper am Leben erhalten. Ich hatte drei Ärzte von der Regierung hier, die sagten, man könne nichts mehr tun. Estephaga hat viele Tricks auf Lager und unkonventionelle Methoden entwickelt, die heute bei einigen Verletzten Wunder gewirkt haben. Das stinkende Olm-Zeug ist eine revolutionäre Entdeckung. Aber bei Maria gehen auch Estephaga die Ideen aus. Nichts hat angeschlagen, nichts konnte sie aufwecken.“
„Sie haben auch Hylda um Rat gefragt?“
„Sie hat es genauso wie ich mit allen Mitteln versucht, aber Maria bleibt für uns unerreichbar.“
„Warum sollte Hylda plötzlich etwas Gutes tun?“
„Wenn sie den Lilienschlüssel haben will, braucht sie Maria. Kein anderes viertes Erdenkind könnte in der Zeit, die wir noch haben, ein ähnlich reifes Talent entwickeln. Aber Hylda war machtlos. Sie sagt, Maria ist weg. Unerreichbar. Diese Erkenntnis kann ich
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