Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
bitterböse. Sie musste wissen, was er plante. Darum machte er auch kein Geheimnis daraus, sondern öffnete die Hand und zeigte ihr den heiligen Riesenzahn.
„Ich habe den Schlüssel! Bring mich zu Torck!“
Sie tauchte unter. Erst dachte Gerald, sie wollte einfach abhauen, aber ihr Kopf blieb direkt unter der Wasseroberfläche und eine Stimme, so tief wie das Wasser, drang zu ihm empor.
„So kannst du mich besser verstehen!“, rief sie und die Stimme hallte von allen Wänden wider. „Ich warne dich! Torck darf nicht freikommen. Niemals! Unter keinen Umständen!“
„Warum? Weil die Welt dann untergeht? Sie geht sowieso unter!“
„Er ist böse! Sehr böse! Ein Ungeheuer!“
„Wer weiß das schon? Bisher habe ich zwei fünfte Erdenkinder kennengelernt und sie waren nicht böse!“
„Er ist der Vater aller bösen Crudas!“
„Dann ist er so was wie mein Schwiegervater!“
Der Kopf schaute wieder aus dem Wasser. Sie starrte ihn giftig an. Gerald wusste nicht viel darüber, wie man Torck befreite. Er wusste nur, dass der Wächter, der das Gefängnis und Torck bewachte, dazu verpflichtet war, den Schlüssel zu akzeptieren. Perpetulja war die Wächterin und Gerald wollte ihr den Schlüssel geben. Doch sie weigerte sich offensichtlich, ihn anzunehmen.
„Ich habe nicht viel Zeit!“, rief Gerald. „Hier ist der Schlüssel!“
Er warf ihn nach Perpetulja, doch sie wich aus, verschwand in der Tiefe und der Schlüssel landete im Wasser. Als er es tat, hörte er auf, ein Wolfsanhänger zu sein. Stattdessen verwandelte er sich in das zurück, was er ursprünglich einmal gewesen war: ein Riesenzahn, lang wie ein Messer und ebenso geformt. Das Zahnmesser hatte einen Griff, doch sehr viel mehr konnte Gerald nicht erkennen, da der Riesenzahn unterging und das gesamte Wasser in der Grotte blau färbte. So blau wie im alten Sumpfloch.
Gerald sprang dem Zahn kurzentschlossen hinterher. Es blieb ihm nichts anderes übrig, er musste schon wieder unangreifbar werden, um schnell durchs Wasser schießen zu können und auf Dauer nicht zu ertrinken. Das Schauspiel, das er unter Wasser erblickte, wäre zum Kaputtlachen gewesen, hätte es sich nicht um eine so überaus ernste und tragische Angelegenheit gehandelt. Denn Perpetulja war panisch auf der Flucht vor dem Schlüssel, der sie verfolgte.
Die Schildkröte war erstaunlich schnell, doch das Schicksal, das sie nun mal zum Wächter von Torck auserkoren hatte, ließ sie nicht entkommen. Perpetulja zog den Schlüssel magisch an und umso schneller sie schwamm, desto schneller schoss auch der Zahn hinter ihr her. Überall, wo er hinkam, entfachte er Licht. Es war, als würde eine riesige blaue Laterne nach der anderen angezündet.
Perpetulja konnte so schnell schwimmen, wie sie wollte, sie hatte keine Chance. Das Riesenzahn-Messer holte sie ein, bohrte sich mit der Spitze in ihren Panzer und blieb darin stecken. Perpetulja sah unverletzt aus, doch der Panzer veränderte sich: Nach und nach verwandelte er sich in eine blaue, leuchtende Substanz, die auch Perpetuljas stämmige Beine und ihren Kopf ergriff. In diesem Zustand kam ihr die Fähigkeit abhanden, sich nach ihrem eigenen Willen zu bewegen. Sie taumelte im Wasser herum, wurde von einer starken Strömung in eine bestimmte Richtung gezogen und sah schließlich aus, als bestünde sie ganz und gar aus Glas, in dessen Innerem ein glühendes, türkisblaues Feuer brannte.
Gerald folgte der blauen, strahlenden Schildkröte, die hilflos mit allen vieren in der Strömung zappelte, bis sie ein Loch in einer Mauer erreichte. Wie ein Loch sah es auf den ersten Blick aus. Auf den zweiten Blick erkannte Gerald, dass es ein gemauerter Mund war, ein riesenhafter Mund aus Stein, der sich jetzt langsam, aber sicher öffnete. Daher auch der starke Sog: Es gab kein Wasser hinter dieser Mauer und daher zog der Mund alles Wasser in den Hohlraum hinein.
Am Anfang blieb die wehrlose, leuchtende Perpetulja noch im Spalt hängen, doch das Maul öffnete sich immer weiter und bald wurde Perpetulja ins Innere der Öffnung gespült. Gerald stürzte hinterher, im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Wasser ergoss sich auf der anderen Seite in einen riesigen, leeren Raum. Der Raum war so groß, dass das Wasser, das in ihn hineinströmte, bisher kaum den Boden bedeckte. Es stieg, aber so langsam, dass Gerald es für ungefährlich hielt, sich wieder sichtbar zu machen.
Das Wasser reichte ihm gerade mal bis zum Knöchel. Perpetulja war auf dem
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