Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
mich strafbar mache, um dir zur Flucht zu verhelfen?“
„Ich würde sagen, dir bleibt gar nichts anderes übrig! Könntest du es verantworten, dass ich, deine älteste Freundin in Amuylett, in einem Gefängnis zugrunde gehe? Ich würde lieber sterben, als für den Rest meines Lebens eingesperrt zu werden!“
„Hättest du dir das nicht früher überlegen sollen?“
„Ich habe alles auf eine Karte gesetzt! Manchmal muss man das tun. Dass ausgerechnet du mich verrätst und zu meinem Scheitern beiträgst, ist bitter. Sehr bitter. Aber ich würde dir verzeihen, wenn du jetzt dafür sorgst, dass ich fliehen kann! Ich werde dir auch nicht mehr zur Last fallen!“
„Du würdest mir verzeihen? Und ich habe dich verraten? Ist dir eigentlich aufgefallen, dass Corvina gerade eben die Freundin meines Sohnes töten wollte? Und dass ihr das auch gelungen wäre, wenn Hylda sie nicht daran gehindert hätte?“
„Ich bin nicht Corvina!“
„Ihr seid Verbündete!“
„Hilfst du mir nun oder nicht?“
„Vor einem halben Jahr hätte ich sonst was getan, um dich vor Schwierigkeiten zu bewahren. Leider – und ich kann dir gar nicht sagen, wie weh mir das tut – bist du nicht mehr die Person, der ich mein Leben anvertraut hätte!“
„Ich bin es noch!“, schimpfte sie. „Wenn du mich nur verstehen würdest!“
„Ich verstehe dich nicht und ich kann dir nicht helfen!“
Sie funkelte ihn böse an, aus ihren vielen, eisklaren Augen. Das hatte sie schon oft getan. Seit er denken konnte, hatte er es immer wieder geschafft, die Spinnenfrau so zu ärgern, dass sie ihn mit diesem Blick gestraft hatte. Und kein einziges Mal hatte er befürchtet, sie könnte ihre giftigen Stachel nach ihm ausstrecken, um ihn zu verletzten. Auch diesmal wähnte er sich sicher. Doch Alabastra war verzweifelt. Sie wollte lieber sterben als für immer eingesperrt zu werden, das hatte sie zu ihm gesagt. Und sterben würde sie nicht alleine!
Hylda sah es. Sie schlug sofort zu, als Alabastra eine ihrer vier Hände bewegte und mit dem Stachel daran auf Gangwolfs Handgelenk zielte. Sie traf Alabastra tödlich, doch einen winzigen Moment zu spät. Als Alabastra zu Boden fiel, spürte Ritter Gangwolf, dass ihn die Spinnenfrau erwischt hatte. Es mochte nur eine winzige Schramme sein, die der Stachel in seine Haut geschlitzt hatte, doch er wusste ganz genau, was das bedeutete.
Ohne die Wunde auch nur ein einziges Mal anzusehen, kniete er sich neben Alabastra auf den Boden und starrte in ihre vielen, weit geöffneten Augen. Sie war noch am Leben. Sie hätte etwas sagen können. Etwas, das ihm das Gefühl gab, dass das Band, das zwischen ihnen bestanden hatte, nicht für immer durchschnitten war. Dass etwas geblieben war von der Liebe und Fürsorge, mit der sie ihn aufgezogen hatte. Dass die Vergangenheit nicht tot war, sondern etwas von ihrem Glanz die Traurigkeit und den Schmerz dieses Tages überdauern würde. Aber sie sagte nichts dergleichen. Ihr Blick war einziger Vorwurf, als er schließlich und für immer erlosch.
„Gangwolf!“, rief Estephaga Glazard, die sich ihren Weg durch den Ring von Makülen bahnte. „Gangwolf, hat sie Sie erwischt?“
Er sprach nicht, sondern starrte die tote Alabastra an, die ihm als Mutter und Freundin so viel bedeutet hatte. Er konnte es nicht fassen.
„Gangwolf?“, fragte Estephaga noch einmal. Sie stand nun neben ihm.
„Ein Kratzer“, murmelte er.
„Ein Kratzer? Wissen Sie, was das bedeutet?“
„Ja, natürlich weiß ich das. Sie hat es uns gepredigt, als wir klein waren, Geraldine und mir. Spielt nicht so wild, bewegt euch nicht so schnell in meiner Nähe. Wenn ich dich kratze, Gangwolf, und wenn es nur ein winziger Kratzer ist, dann stirbst du lange vor deiner Zeit.“
„Wir müssen Sie untersuchen, Gangwolf“, sagte Estephaga. „Damit wir wissen, wie viel Zeit Ihnen noch bleibt.“
„Das habe ich sie damals auch gefragt. Wie lange vor meiner Zeit werde ich sterben? Sie sagte: Es kostet dich fast dein ganzes Leben. Bis auf ein paar Monate. Wenn du Glück hast, überlebst du ein Jahr.“
Viego Vandalez tauchte an Gangwolfs Seite auf. Er bückte sich, um die tote Alabastra anzusehen, dann nahm er Gangwolfs Hand und sah sich die Wunde an.
„Es ist wirklich nur ein winziger Kratzer“, sagte Viego zu Estephaga. „Man sieht ihn kaum!“
„Wenn man ihn gut sehen würde, wäre ich schon tot“, erklärte Ritter Gangwolf. „Mit diesem Gift kenne ich mich aus. Sie hat ihr Leben lang nach
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