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Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halo Summer
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das so? Dafür hat er aber viele politische Freunde. Maria, wie fühlst du dich?“
    „Mir geht’s gut.“
    „Du siehst blass aus. Könnte es sein, dass dich die zusätzlichen Nachmittage in dieser Woche erschöpft haben?“
    „Nein, es ist alles in Ordnung.“
    Der Steinbockmann musterte Maria mit einem weiteren scharfen Blick und stand auf.
    „Du kannst dich in den nächsten Tagen erholen, während Gerald sein Talent erforscht. Niemand wird dich in deiner Spiegelwelt heimsuchen. Mach etwas draus, Maria.“
    Sie sah ihn mit unschuldigen Augen an und nickte.
    „Gut.“
    Gerald musste sich ein wissendes Lächeln verkneifen. Er kannte Maria mittlerweile recht gut. Dieses Mädchen faszinierte ihn und er hatte sie, ohne es bewusst zu wollen, beobachtet und studiert in den Wochen, die sie nun schon gemeinsam in der Spiegelwelt verbracht hatten. Der Unschuldsblick, den sie gerade aufsetzte, entsprach nicht ihrer wahren Gesinnung. Sie hielt etwas vor Grohann geheim. Und er merkte es nicht einmal!
    Ja, Maria war ein nahezu unerschöpfliches Studienobjekt. Das fing schon mit ihrem Aussehen an. Man neigte dazu, sie zu übersehen, und wenn sich Gerald nicht täuschte, war das genau ihre Absicht. Ihr ganzes Verhalten zielte darauf ab, nicht wahrgenommen zu werden. Selbst Marias beste Freundinnen schauten Maria nur selten in die Augen. Sie sprachen mit Maria, sie nahmen Anteil an Marias Gedanken, Wünschen und Gefühlen, doch hätten sie beschreiben sollen, wie ihre Freundin wirklich aussah, so hätten sie womöglich nicht mal Marias Augenfarbe nennen können.
    Diese war nämlich schwer zu erfassen. Auf den ersten Blick waren Marias Augen blaugrau, auf den zweiten Blick entdeckte man ein unbestimmtes Grün, das sich im Braunschwarzen verlor, und während des dritten Blicks zweifelte man an allen vorherigen Erkenntnissen. Die Frage, wie die Farbe von Marias Augen zu nennen wäre, hatte sich Gerald erst in der Spiegelwelt gestellt. Vorher hatte er Maria nie so genau angesehen. In ihrer eigenen Welt, der Welt hinter den Spiegeln, funktionierten Marias Unscheinbarkeits-Tricks nicht so gut wie außerhalb. Gerald fand diese Beobachtung bemerkenswert und er fragte sich, ob es außer ihm schon mal jemandem aufgefallen war.
    Marias Gesicht war ähnlich wandelbar wie ihre Augen. Gerald hatte Scarlett Witze darüber machen hören, dass Maria immer mit einem rundlichen Gesicht aus den Ferien nach Sumpfloch zurückkam und dieses Gesicht dann Woche für Woche schmaler wurde, weil Maria das Essen in Sumpfloch nicht ausstehen konnte und immer nur das Nötigste aß. Überhaupt nehme Marias Gesicht ab und zu wie der Mond, je nachdem, ob sie häufig nach Gürkel spazierte (wo sie ihre Freunde regelmäßig in den Baumstumpf oder den Ofen einlud) oder Essenspakete von zu Hause bekam oder wochenlang wegen schlechten Wetters auf die Sumpflochküche angewiesen war.
    Das war zumindest eine gute Erklärung dafür, warum Marias Gesicht, wann immer man es anschaute, ein wenig anders aussah als man es in Erinnerung gehabt hatte. Wenn man es überhaupt in Erinnerung hatte. Gerald dämmerte allmählich, dass sich Marias wahres Aussehen dem Betrachter entzog. Man konnte es erahnen, doch wenn man versuchte, genau hinzusehen und sich auf ein klares Bild festzulegen, saß man plötzlich Täuschungen auf. Täuschungen und den dazugehörigen Erklärungen, die von Maria stammten und die sie beiläufig unters Volk gestreut hatte, so wie die Sache mit den Essenspaketen oder den Ausflügen nach Gürkel. Wie bewusst sie das betrieb, hatte Gerald noch nicht herausgefunden. Aber das würde er schon noch.
    Ganz gleich, ob Marias Gesicht schmaler oder voller war, man kam sowieso nicht dahinter, was in Marias Kopf vor sich ging. Es sei denn, man fragte sie direkt danach. Gerald tat dies manchmal, aus Neugier. Natürlich sah man Maria an, ob sie froh oder traurig war. Doch in diesem Kopf, in dieser geistigen Spiegelwelt hinter Marias blaugraugrünbraunen Augen, ging so viel mehr vor sich, als sie es ihre Mitmenschen wissen lassen wollte. Vielleicht wollte sie es selbst nicht wissen.
    Marias Geist war auf jeden Fall rätselhaft. Schließlich war es auch Marias Geist gewesen, der Rackiné hervorgebracht hatte. Sie hatte ihren Stoffhasen durch ihre Liebe und ihre Gedanken zum Leben erweckt. Diese Fähigkeit zeichnete das vierte Erdenkind aus. Es zeichnete aber auch Maria aus, dass sie sich so tief in etwas hineinversetzen konnte, dass es ein Eigenleben bekam.
    Marias

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