Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
sahen krank und erschöpft aus. Abgemagert, als hätten sie schon Monate an diesem Ort verbracht und nicht nur eine Woche.
Zerschlissen war die Kleidung, schmutzig und fleckig die Haut, die Augen der Flugwurm-Reiter und Bogenschützen versanken in tiefen Augenhöhlen. Der Tiger-Zauberer sah noch am gesündesten aus, doch auch er war ausgezehrt, einem Tiger gleich, der zu lange in einem Käfig vergessen und seiner Freiheit beraubt worden war.
Jetzt sprang er auf, da er die Nachtler erblickte, und sprach mit ihnen in einer fremden Sprache. Gerald glaubte, genug gesehen zu haben. Ohne sich noch einmal umzusehen, trat er den Rückweg an, der sich zum Glück nicht als schwierig erwies. Er hatte schon befürchtet, in der Falle der Spiegelwelt ausharren zu müssen, ebenso wie die bedauernswerten Krieger aus Gorginster. Doch er gelangte mühelos in das alte Badezimmer zurück, dessen Licht und Wärme ihn geradezu überwältigten.
Hatte er recht gehabt mit seiner Vermutung? Hatte die Spiegelwelt ihre Feinde überrumpelt? Ihnen etwas vorgegaukelt, sie in die Irre geführt, sie ausgehungert? Vielleicht war es unangemessen, der Spiegelwelt zu unterstellen, dass sie handelte oder überhaupt etwas tat. Wahrscheinlich war es richtiger, von ihren Gesetzmäßigkeiten zu sprechen. Man wurde in ihre blühende Mitte gezogen oder abgedrängt in eine Ödnis, die einem leeren Herzen glich. Je nachdem, ob man in der Absicht kam zu lieben oder zu erobern.
Gerald kehrte in das Wohnzimmer zurück, in dem er schon gespannt erwartet wurde. Er berichtete, was er herausgefunden hatte: dass fünf Nachtler aus Gorginster angerückt waren und ihre Verbündeten in einem Hof jenseits des alten Badezimmers ausfindig gemacht hatten.
„Der Tiger-Zauberer und seine Krieger sind sehr schwach“, sagte er. „Aber fünf Nachtler in einem unübersichtlichen Gelände zu entwaffnen, stelle ich mir schwierig vor.“
„Das kommt darauf an, wie wir sie entwaffnen wollen“, meinte Haul. „Einen Nachtler kann man eigentlich nicht gefangen nehmen.“
„Das sehe ich genauso“, erklärte Grohann.
„Was genau soll das heißen?“, fragte Gerald.
„Dass wir sie töten“, sagte Haul.
Gerald überlief es kalt. Es lag nicht nur an der gefühllosen Art und Weise, wie Haul es aussprach, sondern auch daran, dass er sich plötzlich vorkam wie ein harmloser Schuljunge unter ausgewachsenen Mördern.
„Das sind keine Dämonen“, widersprach er. „Nicht irgendwelche Geister oder böse Schatten. Es sind richtige Menschen!“
„Menschen, die wussten, was sie taten, als sie Dorn ihre Dienste angeboten haben“, erwiderte Haul ohne eine Spur von Aufregung. „Abgesehen davon leisten die Mitglieder des Nachtler-Ordens einen Schwur darauf, sich nie zu ergeben. Eher bringen sie sich um, als durch ihr Überleben in Gefangenschaft Schande über den Orden zu bringen.“
„Er hat recht“, sagte Grohann. „Ein Nachtler zieht aus, um sich zu bewähren oder zu sterben.“
Gerald schaute in die Runde. Er sah in Hanns’ graue Augen, die nicht verrieten, was er dachte oder fühlte. Er sah Lisandra an, die ihre Hand gegen den Spiegel presste und die Stirn gerunzelt hatte. Sie war angespannt, aber das konnte an dem bevorstehenden Kampf liegen, von dem niemand wusste, wie er ausgehen würde. Haul und Grohann wirkten erstaunlich gelassen. Wie viele Menschen musste man in seinem Leben schon getötet haben, um die Aufgabe, fünf Nachtler zu töten, so ruhig anzugehen?
„Gerald, wir brauchen dich wieder als Späher“, sagte Grohann. „Aber misch dich nicht in den Kampf ein, es sei denn, du bemerkst eine Gefahr, die wir anderen nicht wahrgenommen haben.“
„Ja, ist gut.“
„Dann lasst uns gehen.“
Grohann ging mit Haul voran, er kannte den Weg zum Badezimmer, dessen Spiegel Maria oft als Übergang nach Sumpfloch benutzte. Hanns zögerte, ihnen zu folgen.
„Worauf wartet ihr?“, fragte Lisandra. „Los, kämpft euren Kampf, bei dem Mädchen nicht mitmachen dürfen!“
„Armes Mädchen“, sagte Gerald. „Wollen wir tauschen?“
„Würdest du wirklich?“
„Wenn du dich unsichtbar und unangreifbar machen kannst, gerne!“
„Das ist unfair“, erwiderte Lisandra. „Du weißt genau, dass ich das nicht kann.“
„Ich würde aber wirklich gerne mit dir tauschen“, sagte Gerald. „Bei einem Gemetzel zuzusehen, ist nicht so mein Ding.“
Lisandras sonst so strahlende, himmelblaue Augen waren wie verdunkelt.
„Meins auch nicht, Gerald, das musst du mir
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