Feuerscherben
zusammen. Weshalb wunderte sich der junge Mann darüber, dass sein Vater in einen DNA-Vergleichstest eingewilligt haben könnte? Sollte er ihm verraten, dass seine Mutter die Blutprobe geliefert hatte? Offensichtlich hatte Evelyn nichts davon erwähnt. Nein, er hatte schon viel zu viel gesagt. Wenn Evelyn schweigen wollte, bis das Ergebnis des Tests vorlag, musste er sich ihren Wünschen fügen.
»Dianna Mason ist eine wesentlich überzeugendere Kandidatin als die übrigen jungen Frauen, die bisher bei den Campbells aufgetaucht sind«, sagte Ben und ließ Rogers Frage unbeantwortet. »Das Testergebnis wird vermutlich am Montag vorliegen. Dann ist es mit der Unsicherheit vorbei.«
»Am nächsten Montag?«, wiederholte Roger. »Meine Güte, das wird einen Wirbel geben, wenn es positiv ausfallt. Was meinen Sie? Wird die Sache Einfluss auf Dads Wahlkampf haben?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm zusätzliche Stimmen einbringt«, antwortete Ben. »Jeder mag Geschichten von vermissten Kindern, die ein glückliches Ende nehmen.«
»Ja, das stimmt.« Roger wandte sich ab, und seine Augen glänzten vor innerer Erregung. »Sie halten mich auf dem Laufenden, nicht wahr? Du liebe Zeit, ich fasse es immer noch nicht. Claire war so lange fort. Wir haben uns nicht häufig gesehen, aber sie war eine tolle große Schwester. Ich kann es gar nicht erwarten, dass sie nach Hause zurückkehrt.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh«, warnte Ben ihn. Er legte den Arm um Rogers Schultern und führte ihn zu Tür. »Wir können auch auf die Nase fallen.«
»Glauben Sie das?«, fragte Roger.
»Nein«, antwortete Ben zuversichtlich. »Ehrlich gesagt, ich glaube, Montag werden wir den Beweis erhalten, dass Ihre Schwester und Dianna Mason ein und dieselbe Person sind.«
»Wahnsinn«, sagte Roger und schüttelte den Kopf. »Absoluter Wahnsinn.«
Dianna leerte einen übervollen Aschbecher aus und schob einige Papiere zur Seite, bis sie genügend Platz auf Sonyas Schreibtisch hatte. Die Freundin kehrte mit zwei relativ dünnen Aktenordnern zurück und legte sie auf den Tisch.
»Das sind sie«, sagte Sonya. »Der mit dem roten Aufkleber enthält Fotokopien von allen Informationen, die ich über Leutnant Jordan Edgar III. auftreiben konnte. In dem Ordner mit dem grünen Aufkleber befinden sich die biografischen Daten von Andrew Campbell aus derselben Zeitspanne.«
Dianna nahm die Unterlagen in die Hand. Ihr Magen begann sich zu drehen – nicht vor Aufregung, sondern vor Angst. Während sie die Akten betrachtete, befiel sie die düstere Vorahnung, dass sich das Leben zahlreicher Menschen unwiderruflich verändern würde, wenn sie die Deckel aufschlug. Aber das wollte sie doch, nicht wahr? Sie wollte Veränderung, Wiedergutmachung, Gerechtigkeit. Es waren ehrenwerte Ziele. Weshalb kam sie sich dann so gemein vor? »Wenn du die Akten nicht lesen möchtest, lege ich sie wieder weg«, sagte Sonya.
»Nein, ich möchte sie lesen.« Dianna holte tief Luft und strich mit den Händen über den Ordner mit der Aufschrift Leutnant Jordan Edgar III. »Wo wirst du sein, falls ich ein paar Fragen habe?«, erkundigte sie sich.
»In der Küche«, antwortete Sonya. »Kaffee trinken, Aspirin schlucken und mich fragen, ob ich das Richtige getan habe. Meine Güte, ich hoffe, du hast dich nicht geirrt und Andrew Campbell ist wirklich ein Mörder. Sonst könnte ich niemals rechtfertigen, wobei ich dir helfe.«
»Keine Sorge«, sagte Dianna, und ihre Entschlossenheit kehrte zurück. »Er ist ein Mörder.«
»Würde es jemand anders sagen, hätte ich erhebliche Zweifel«, erklärte Sonya und ging zur Tür. »Fröhliche Lektüre, Kindchen.« Dianna öffnete zunächst den Ordner über Leutnant Edgar und stellte befriedigt fest, dass ihre Hände kein bisschen zitterten. Entspannt überflog sie die biografischen Angaben. Jordan Edgar III., geboren 1941, Ausbildung an der Groton School und der Princeton University. Abschluss 1962 mit summa cum laude, anschließend entsprechend der Familientradition Eintritt in die Marine. Sein Vater, Jordan Edgar II. (den Zusatz »junior«, hatte die Familie stets vermieden), war zu diesem Zeitpunkt Konteradmiral und wurde während der Kubakrise als U-Bootkapitän ausgezeichnet.
Offensichtlich hatte Jordan Edgar die Liebe seines Vaters zur Marine nicht geerbt. Er leistete seine beiden Jahre ab und wurde als Unterleutnant in Ehren entlassen. Seine Karriere zeichnete sich höchstens durch Mittelmäßigkeit aus. Als relativ
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