Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
Vom Netzwerk:
die Hand aus und hielt sie dem Tier unter die weiche Nase. Es blähte die Nüstern, schnaubte und wandte sich wieder seinem zweiten Frühstück zu.
    »Ist nicht gut«, sagte Boris noch einmal mit einer Stimme, die klang, als benutzte er sie viel zu selten.
    Mila war sich nicht sicher, ob er nun die Treppe oder das Pferd meinte, denn während ihrer kurzen Begegnung mit dem Tier hatte er sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Fast so, als erwarte er, dass es sich umdrehen und nach ihr treten würde.
    »Warum …« Sie wollte fragen, weshalb niemand einen Hinweis angebracht hatte, der arglose Wanderer vor dem Betreten warnte, unterbrach sich aber, als sie direkt neben sich ein Warnschild sah. Na gut, wahrscheinlich sollte sie sich jetzt bei dem Mann bedanken. Doch der saß schon wieder auf und ritt grußlos davon.
    »Vielen Dank!«, rief sie gegen den Wind hinter ihm her. Es klang jedoch eher, als wünschte sie ihn zum Teufel. Komischer Kauz. Kein Wunder, wenn die Leute uns Russen für unfreundlich halten.
    Mila hatte mit Vorurteilen reichlich Erfahrung machen dürfen, als sie vor einigen Jahren ins Land gekommen war und anfangs mit starkem Akzent gesprochen hatte. Der britische Pass half da gar nichts. Die konsequenten Übungsstunden mit einer Lehrerin für Stimmbildung, Atemtechnik und Modulation lösten das Problem allerdings erstaunlich schnell, und niemand käme heute auf die Idee, sie hätte nicht eine der besten Privatschulen des Landes besucht. In Wirklichkeit aber war sie an einer ganz normalen Comprehensive School unterrichtet worden, weil diese mit ihrer Ballettschule kooperierte und häufige Fehlzeiten der Schülerinnen nicht nur tolerierte, sondern sogar dafür sorgte, dass die Mädchen zusätzlichen Unterricht erhielten, sobald Zeit dafür war. Gabriel hatte das professionelle Training bezahlt, obwohl er ihr von Anfang an eine akademische Laufbahn nahegelegt hatte.
    In der Schule und auf der Straße lernte sie ein ganz anderes Englisch, mit dem sie Florence manchmal foppte, weil die dann nur die Hälfte von dem verstand, was Mila sagte. Die Schulzeit hatte sie trotz allem gehasst, und ihr Abschlusszeugnis war entsprechend erbärmlich anzusehen – nur in Französisch und Englisch hatte sie gute Zensuren; das Lernen fremder Sprachen war ihr nie schwergefallen.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es Zeit war zurückzukehren. Leicht außer Atem, aber bester Laune kehrte Mila ins Cottage zurück. Florence kam gerade aus dem Bad.
    »Ich dachte schon, du wärst weggelaufen!« Sie räkelte sich und gähnte. »Ab unter die Dusche, du verrückte Frühaufsteherin.«
    Als sie wenig später mit handtuchfeuchten Haaren die Treppe der Empore hinunterlief, zog bereits der Duft frisch gebrühten Kaffees durchs Haus. Sie bückte sich, um ihre Sandalen zu schließen, die den gleichen Blauton besaßen wie ihr ärmelloses Sommerkleid, da klopfte es an der Haustür.
    »Frühstücksservice«, rief eine bekannte Stimme, und kurz darauf stellte Anthony einen gut gefüllten Brotkorb, Marmelade und Butter auf den Tisch. »Komm mal her, mein Moppelchen!«, sagte er und schloss Mila in die Arme.
    Gegen solche Zärtlichkeiten war nichts einzuwenden, und der Kuss hätte auch durchaus länger ausfallen können. Doch Mila durfte sich nicht beschweren. Die Nähe der wenigen Freunde, die sie hatte, zuzulassen und gleichzeitig ihr Geheimnis zu wahren, glich einem anstrengenden Balanceakt. Dabei half es auch nicht, dass sie sich immer wieder sagte, die Grenzen wären unbedingt notwendig, um Anthony nicht zu gefährden. Eigentlich hätte sie froh sein müssen, dass er ihre Wünsche respektierte. Stattdessen war sie enttäuscht, als er sie schneller als gedacht aus der Umarmung entließ und zur Tür ging.
    »Frühstückst du nicht mit uns?«
    »Leider geht das nicht. Ich habe ein Meeting mit Seiner Lordschaft, danach begleite ich ihn zu irgendeinem Bauernhof. Keine Ahnung, wie lange das dauern wird, aber wenn ich rechtzeitig zurückkomme, könnten wir drei doch später nach Ivycombe fahren. Was meint ihr? Das Hounded Hangman ist ein ziemlich gutes Pub für diese Gegend.«
    » Tüdelü !« Florence winkte ihm zu. »Man wird sehen, ob wir dann Zeit für dich erübrigen können …«
    Seine Miene wurde kühler.
    Doch bevor er etwas entgegnen konnte, sagte Mila: »Natürlich, wir kommen gern. Und wenn es heute nicht klappt, dann eben morgen.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, bis er die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    Florence

Weitere Kostenlose Bücher