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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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seiner Linken zu haben. Katholisch, verheiratet und Vater von drei Kindern, musste der arme Kerl seine wahren Neigungen geheim halten, wenn er im Amt bleiben wollte. »Wie geht es Ihrer Familie?«, fragte Lucian, ohne weiter auf die Anspielung einzugehen.
    Der Mann reagierte humorvoll. »Und selbst? Ist das Aufgebot bestellt?«
    Lucian verzog die Miene, als gefiele ihm die Frage nicht. Castellucci, hieß es, unterhielt ein Verhältnis mit der Schwester eines Internetmillionärs. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich, dass es sich um die Vermählung von neuem und altem Geld handelte. Castellucci senior war ein mächtiger Römer mit besten Kontakten in den Vatikan. Verbindungen zur organisierten Kriminalität sagte man ihm nach, hatte bisher jedoch nichts nachweisen können. Wohl auch deshalb, weil er zudem freundschaftliche Beziehungen bis in die höchsten Ränge seiner Regierung pflegte.
    Castellucci senior, ebenso wie erstaunlicherweise auch der nicht einmal dreißigjährige Bruder seiner zukünftigen Frau, gab sich konservativ und hätte kein Verständnis dafür, wenn Leonardo gelegentlich auch ein Auge auf junge Männer warf. Bisher hatte die römische Gesellschaft den jungen Castellucci nur als braven Verlobten kennengelernt. Gäbe es gegenteilige Beweise, würde dies Anthonys Zuversicht erklären, die er bei seinem Gespräch mit Lord Hubert gezeigt hatte. Der Mann wäre bereits jetzt erpressbar.
    »Wir brennen darauf, naturalmente! «, sagte Lucian mit einem frivolen Zungenschlag, der dem offensichtlich auf Verbrüderung spekulierenden Iren eine zarte Röte in die Wangen trieb. »Aber liegt das Glück der Liebenden am Ende nicht stets in Gottes Hand?« Dazu machte er eine wegwerfende Handbewegung.
    Kurz dachte er darüber nach, ihm einen nächtlichen Besuch abzustatten, der, erführe jemand davon, die Karriere des leichtfertigen Mannes garantiert beenden würde. Doch unerwartet erschien das süße Gesicht seiner leidenschaftlichen Geliebten vor seinem geistigen Auge, und er verwarf den Gedanken sofort wieder.
    Während sein Gesprächspartner noch nach einer passenden Antwort suchte, wurden die neu eingetroffenen Gäste vom Butler angekündigt.
    Der Vertreter einer der ältesten und weltweit mächtigsten Ratingagenturen wirkte ausgesprochen menschlich, wenn man das in diesem Zusammenhang sagen durfte. Offenbar war er nicht unbekannt, denn es hoben sich gleich mehrere Köpfe. Man lächelte oder nickte ihm zur Begrüßung zu. Im Laufe der Geschichte waren die Buchhalter und Spekulanten häufig einflussreicher gewesen als ihre Herren. Nicht immer hatte sich dies als günstige Konstellation herausgestellt.
    Etwas lag plötzlich in der Luft, das nichts mit der zweifellos charismatischen Ausstrahlung des Mannes zu tun hatte. Mit dem gebührenden Abstand und dabei nicht nur auf Wirkung bedacht betrat danach ein hoher Kirchenvertreter mit säuerlichem Gesichtsausdruck den Raum. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Lucian erkannte, wer sich hinter der nahezu perfekten Maske verbarg. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass sich auch Arian auf die Kunst der Gestaltwandlung verstand. Offenbar ein Erbe seines Vaters.
    »Da wir nun vollzählig sind«, verkündete Lord Hubert nicht ahnend, wer sich da unter seinen Gästen befand, »bitte ich die Herren zu Tisch!«
    Unter zustimmendem Gemurmel nahmen die Männer ihre Plätze ein. Arian setzte sich rechts neben Lucian. Er unterhielt sich mit dem Sitznachbarn auf der anderen Seite, machte ein paar Scherze und versuchte danach, auch mit dem vermeintlichen Castellucci ins Gespräch zu kommen, der allerdings spröde reagierte.
    »Kopfschmerzen«, erklärte er bei Arians drittem Versuch, ihn an der Unterhaltung zu beteiligen, und rieb sich die Schläfen. »Das englische Wetter ist gewöhnungsbedürftig, finden Sie nicht auch?« Zu gern hätte er gewusst, ob der Engel ihn erkannt hatte.
    Doch der gab sich keine Blöße und befand nur, dass es für hiesige Verhältnisse ein ausgesprochen schöner Sommer gewesen sei. »Natürlich ist es nicht mit Italien zu vergleichen, aber ich kann mir vorstellen, dass Sie sich in Brüssel auch manchmal frische Luft und eine klärende Brise wünschen.« Dazu lachte er meckernd, bis Lucian ihm am liebsten das alberne Kostüm mit etwas Engelsfeuer in Brand gesetzt hätte.
    Die übrigen Tischgespräche drehten sich um Golf, Frauen und schnelle Autos. Es war geradezu absurd, wie normal sich alle verhielten, obwohl sie ahnen mussten, dass sie nicht nur zum

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