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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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sie vorsichtig.
    »Wenn man davon ausgeht, dass weder sein Auto noch die Designerklamotten geliehen sind, ist das wohl so.« Ihre Gedanken kehrten zur Nacht auf dem Hochhausneubau zurück und zu Lucians verrückter Idee, ihr dort ein Apartment einzurichten. Wahrscheinlich kann er alles haben, was er will , dachte sie bitter. Selbst sie war ihm wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen. Eine unglückliche Formulierung, die unwillkommene Bilder heraufbeschwor. Wütend sollte sie sein und sich nicht nach seinen Berührungen sehnen, verflucht!
    »Ob er Geld besitzt oder nicht, hat ganz und gar nichts mit mir zu tun. Oder mit meinem Bruder.«
    »Das soll nichts mit dir zu tun haben?« Den Nachsatz wischte Juna mit einer Handbewegung fort. »Wie kommst du bloß darauf? Mila, er …«
    »Natürlich nicht. Ich gebe zu, dass es mit ihm derzeit ausgesprochen nett ist. Aber wenn er den Job in Stanmore erledigt hat, verschwindet er in sein verdammtes Schattenreich, wo ihn vermutlich Tausende Jungfrauen längst sehnsüchtig erwarten.«
    »Jungfrauen? In der Unterwelt? Das ist gut!«, kicherte Juna, fing plötzlich Milas Blick auf und wurde sofort wieder ernst. »Hör mir zu! Erstens, diese Jungfrauen, auf die du dich da beziehst, sollen angeblich im Paradies warten. Und zweitens ist das ein Gerücht, das sehr wahrscheinlich irgendjemand gestreut hat, um jungen Kerlen Mut zuzusprechen.«
    »Das wusste ich nicht«, gab sie zu.
    »Wie auch immer.« Juna nahm einen Schluck Tee und schenkte ihr ebenfalls nach, als sie sah, dass auch Milas Tasse leer war. »Es wird Zeit, dass ich dir erzähle, warum es so aussieht, als stritten Arian und Lucian ständig.«
    »Ehrlich gesagt, so spannend das klingt, ich würde jetzt lieber …«
    Die kühle Hand des Engels hielt sie zurück, als sie aufstehen wollte.
    »Warte, bevor du etwas Unüberlegtes tust. Es ist wichtig, dass du mehr über Lucian erfährst.«
    Weil sie ahnte, dass ihre himmlische Bewacherin sie nicht gehen lassen würde, bevor sie ihre Lobpreisungen losgeworden war, ließ sich Mila gereizt auf den Stuhl fallen. Dabei fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar, ohne zu bemerken, dass sie Lucian mit dieser Geste unbewusst imitierte. »Also sag schon! Er erzählt ja nichts.«
    »Männer«, lachte Juna und entfaltete ihre Schwingen so elegant, wie eine Ballerina die Arme ausbreiten würde.
    Ohne es zu wollen, stimmte Mila ein. »Da sagst du was.«
    »Was glaubst du, wie alt ich bin?«
    Erstaunt sah sie in Junas Gesicht. Hätte ihr eine Sterbliche gegenübergesessen, hätte sie diese Frau höchstens auf Mitte zwanzig geschätzt, aber sicherlich nicht ihr wahres Alter. Deshalb bemühte Mila diesen einzigartigen Sinn, der es ihr erlaubte, behutsam tiefer, also gewissermaßen unter die Oberfläche anderer zu blicken. Junas Lebenslinie entrollte sich wie der unregelmäßige Faden eines Wollknäuels vor ihrem geistigen Auge. Für jedes Lebensereignis eine Auffälligkeit, gelegentlich Einschlüsse, einige davon farbig und an einer Stelle nicht dicker als ein Seidenfaden. Was war da geschehen? , fragte sich Mila, doch bevor sie länger darüber nachsinnen konnte, war das Garn zu Ende. Überrascht stieß sie einen Pfiff zwischen den Zähnen aus. »Du bist noch keine dreißig?«
    »Genau. Meine Geschichte ist allerdings ein bisschen kompliziert.«
    Mila hätte sich gern nach dem hauchzarten Seidenfädchen erkundigt und danach, welches erschreckende Erlebnis damit in Verbindung stand. Die Frage erschien ihr dann jedoch zu intim. »Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie und legte gerade so viel Gefühl in ihre Stimme, wie notwendig war, um ihr Interesse zu signalisieren.
    Lächelnd nickte Juna. »Wenn du Lust hast, sie zu hören, erzähle ich sie gern irgendwann an einem dunklen Winterabend. Heute nur so viel: Ebenso wie du hatte auch ich schon früh Zugang zum sogenannten Engelsfeuer . Nur konnte ich nicht damit umgehen und dachte, es wäre eine Energie direkt aus der Hölle.«
    »O je. Du hast versucht, es zu unterdrücken, stimmt’s?«
    Nur zu gut erinnerte sie sich an den Tag, als sie das Feuer das erste Mal gespürt hatte. Wie immer, wenn sie sich ängstigte, war sie zu ihrem Vater gelaufen. So früh! , hatte er gesagt, als sie ihm davon erzählte. Dann aber hatte er ihr erklärt, was es war, und gezeigt, wie man es beherrschen konnte. Erzähl deiner Mutter lieber nichts davon , hatte er ihr zum Schluss ins Ohr geflüstert, und wie üblich hielt sich die kleine Miljena an seine

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