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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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geschickt platzierter Pailletten bedeckt, mit weit ausgebreiteten Armen. Doch am meisten berührte ihn der Anblick ihrer Flügel, die sie mit einer Anmut trug, als gehörten sie wirklich zu ihr.
    Der treibende Rhythmus der Trommeln, dem Lucians Herz unbewusst gefolgt war, erreichte seine Klimax, und plötzlich stand sie in Flammen.
    Hätte Arian ihn nicht geistesgegenwärtig zurückgehalten, er wäre ohne zu überlegen losgestürzt, um sie zu retten. Dann aber sah er es auch: Die Feuerschwingen auf ihrem Rücken waren nichts als kunstvoll inszenierte Illusion, die Erfüllung ihrer geheimsten Wünsche.
    Schlagartig erkannte er die Wahrheit. Mila war seine Seelengefährtin. Genau so hatte die Illustration der uralten Überlieferung ausgesehen, die er vor langer Zeit einmal gelesen hatte, und mehr noch: Genau so sah auch die Gestalt aus, die ihn zuweilen in einem der äußerst seltenen Träume besuchte. Jede ihrer Heimsuchungen ließ ihn mit einem beunruhigenden Sehnen zurück. Nach dem Aufwachen hatte er meist schlechte Laune. Oft gelang es ihm tagelang nicht, die Erinnerung zu verdrängen, obwohl er sich nie an ihr Gesicht erinnern konnte. Nun war das anders.
    Begeisterter Applaus brandete auf und riss ihn abrupt aus seiner merkwürdigen Trance.
    Lucian.
    Plötzlich gab es nur noch sie beide.
    Milotschka!
    Wie in drei Teufels Namen hatte sie ihn erkannt?
    Trotz allem bemüht, seine wahre Natur nicht zu verraten, näherte er sich betont beiläufig ihrem Podest. Die Flammen waren inzwischen erloschen, doch sein Engel trug seine Flügel immer noch. Eine wie in Stein gemeißelte Silhouette vor dem nachtblauen Himmel. Anmutig und gleichzeitig anrührend in der Zerbrechlichkeit ihrer unsterblichen Seele. Er hätte sie stundenlang betrachten mögen.
    Jemand kam und half den Frauen hinunter. Als sich der Fremde schließlich auch Mila zuwandte, war er längst bei ihr. Mit einer Behutsamkeit, die nichts von den widersprüchlichen Gefühlen offenbarte, die in ihm tobten, umfasste er ihre schmale Taille, hob sie zu sich herab und vergrub in einem Augenblick der Schwäche sein Gesicht in ihren Haaren. »Milotschka«, flüsterte er. »Was fange ich nur mit dir an?«
    Zu seiner Überraschung versuchte sie, ihn fortzuschieben. »Lass mich los, du hast mir eine Menge zu erklären!« Ihre Stimme klang wütend und aufgeregt. »Aber dafür ist jetzt keine Zeit. Ben …«
    »Nicht hier«, sagte er leise und deutete unauffällig auf die Frau, die zuvor bereits den anderen Darstellerinnen die Flügel abgenommen hatte und sich ihnen näherte. Mit geschickten Fingern löste sie die Bänder, und Lucian half ihr, die erstaunlich schweren Flügel von Milas Schultern zu nehmen.
    »Komm!« Sie musste fort, bevor ihr etwas geschehen konnte.
    Doch anstatt ihm zu folgen, sah sie stirnrunzelnd an sich hinunter. »So? Warte, ich bin gleich wieder da.« Ohne weiter auf ihn zu achten, lief sie zu einem der Zelte.
    Lucian wollte ihr hinterhergehen, aber die Garderobiere verwehrte ihm den Zutritt.
    »Männer habe hier nichts zu suchen!«, sagte sie streng, und weil er ausschließlich Sterbliche im Inneren spürte, zwang er sich zur Geduld.
    Es dauerte zum Glück nicht lange, bis Mila wieder auftauchte. Nun verdeckte immerhin eine seidene Maske ihr Gesicht, und sie war auf den ersten Blick weniger aufreizend gekleidet. Doch was er sah, reichte aus, ihn wünschen zu lassen, er wäre allein mit ihr und nicht auf diesem verfluchten Gartenfest.
    »Das solltest du öfter tragen«, sagte er leise, machte aber keine Anstalten, sie zu berühren. Es hätte nicht zu seiner derzeitigen Rolle als Leonardo Castellucci gepasst, ermahnte er sich. Zudem traute er sich selbst nicht genug, um sicher zu sein, dass er sie nicht hier und jetzt geküsst und geliebt hätte, so sehr begehrte er seinen Engel.
    Seit Anthony am Nachmittag beobachtet hatte, wie sie mit ihren Huren am Pool herumlungerte, statt sich um die Vorbereitungen der Festlichkeiten zu kümmern, wie es abgesprochen war, hatte er Margaret nicht mehr gesehen.
    Dankbar für diese kurze Pause lehnte er sich an die violett gestrichene Wand des Musikzimmers. Wo bist du, Magpie? Aber natürlich konnte sie ihn nicht hören. Er verstand sich nicht auf Gedankenübertragung, und ein Sukkubus beherrschte diese Kunst erst recht nicht. Im Grunde , dachte er, wäre ich froh, die alte Krähe nie wieder sehen zu müssen.
    Sein Meister wäre anderer Meinung gewesen. Durival brauchte die Seelen, die sie so rücksichtslos erntete

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