Feuerschwingen
Kolleginnen?« Sie sah an sich hinab. »Da passt mein Kostüm aber gar nicht dazu.«
Lachend brachte er sie zu einem der weißen Zelte. »Barbara wird sich um dich kümmern.«
Barbara war die Garderobiere. Sie warf einen Blick auf ihre Figur und nickte. Wenig später trug Mila ein glitzerndes Nichts und schwindelerregend hohe Schuhe. Die Musik verstummte. Barbara schob sie hinaus.
Draußen war die Bühne nun nicht mehr beleuchtet, und kurz darauf verlosch auch die schwache Lampe im Zelt. Nur wenige Fackeln am Weg spendeten etwas Licht. Doch Mila hatte schon immer gut in der Dunkelheit sehen können, und so schaffte sie es, trotz der ungewohnt hohen Schuhe nicht zu stolpern.
»Die Flügel bekommst du von Tom. Beeil dich, wir sind gleich dran.« Barbara zerrte sie hinter sich her. »Schnell, schnell!«
Jemand stülpte ihr etwas Schweres über den Kopf, das unter der Brust mit einem Band gesichert wurde. Kalt lag ihr die merkwürdige Konstruktion auf den Schultern und drückte im Rücken. Doch wenn nicht noch etwas nachkam und sie damit ihre Schuldigkeit getan hatte, wollte sie die Unbequemlichkeit dafür gern in Kauf nehmen. Ihre innere Stimme raunte ihr zu, dass dies ein geringer Preis dafür war, nicht mehr in der Schuld des unangenehmen Elfs zu stehen.
Sie musste unbedingt Lucian fragen, was es damit auf sich hatte. Lieber Himmel, Lucian! Ihn hatte sie vor Aufregung beinahe vergessen. Er wäre kaum begeistert, sie so zu sehen. Leider hatte Tom darauf bestanden, dass sie die Maske abnahm. Barbara steckte ihre Hände in seidige Schlaufen, anschließend führte sie Mila durch die Dunkelheit zu einem Podest.
Tom half ihr beim Hinaufsteigen und flüsterte: »Du brauchst einfach nur schön auszusehen, das dürfte dir nicht schwerfallen. Zwischendurch änderst du deine Haltung. Carol steht vorn rechts, an ihr kannst du dich orientieren. Aber pass auf, wenn das Feuerwerk beginnt, breitest du die Arme aus und bewegst dich nicht mehr, okay?«
»Feuerwerk?« Panik stieg in ihr auf. »Wie spät ist es?«
»Halb elf. Keine Sorge, die Show dauert nicht lange.«
Die letzten Worte gingen beinahe in lautem Trommelwirbel unter, Lichter flammten auf, und ein Mann sprang auf die Bühne. In der Hand hielt er ein brennendes Schwert, das bald darauf in seinem Hals verschwand.
Mila wollte überhaupt nicht wissen, wie er das machte. Schon mit Tom hatte sie eine merkwürdige Verbundenheit gespürt, und als sie jetzt ihren Sinnen ein wenig mehr Raum gab, wusste sie, dass der Feuerschlucker ein gefallener Engel war, der über genügend Magie verfügte, um seinen Zuschauern die Illusionen zu schenken, nach denen sie sich offensichtlich sehnten. Der Applaus gab ihm und den folgenden Feuerakrobaten recht.
Aus dem Augenwinkel sah sie Carol, die elegant und verführerisch posierte und versuchte, es ihr gleichzutun. Allmählich fand sie Gefallen an dieser Show und vergaß darüber fast den Grund für ihr Hiersein.
»Tu was! Sie ist verrückt geworden«, zischte er Arian zu, als sie beide fassungslos beobachteten, wie Juna mit weit ausgebreiteten Schwingen hoch über dem Rosengarten auf einem Drahtseil entlangspazierte. »Hast du dein Weib überhaupt nicht im Griff?«
Monsignore, oder vielmehr der Engel, hatte regungslos neben ihm gestanden, nun aber leuchteten seine Augen unter der Maske so unnatürlich blau, dass sie jeden anderen in Schrecken versetzt hätten. »Niemand kann ihre Flügel sehen. Ich würde mir an deiner Stelle mehr Gedanken um mein eigenes Weib machen. Juna ist sicherlich nicht allein hier. Verlass dich drauf, sie weiß, was sie tut.«
Mila! Er wusste, dass sie aus dem Schlaf erwacht war, hatte ihre Nachrichten auf seinem Handy aber ignoriert und sie sogar aus seinem Bewusstsein verbannt, um nicht schwach zu werden und zu ihr zu eilen. Es war ohnehin schon schwierig genug, die Balance zwischen seiner Maske als Leonardo Castellucci und einem offenen Radar für dämonische Heimtücke zu halten. Im Cottage wäre sie sicher gewesen, verdammt!
Neben ihm sog Arian scharf die Luft ein, er sah nicht mehr zu Juna hinauf.
Lucian folgte seinem Blick und erstarrte.
Auf einer kleinen Bühne hantierte jemand, den er auf den ersten Blick als gefallenen Engel erkannte, mit Feuerbällen. Er wurde dabei von insgesamt vier attraktiven Frauen flankiert, deren einzige Aufgabe es zu sein schien, hübsch auszusehen.
Er hatte nur Augen für eine. Mila. Schön wie eine Göttin, den herrlichen Körper höchst unzureichend mit einem Hauch
Weitere Kostenlose Bücher