Feuerschwingen
– auch wenn sie nicht immer Lust hatten, sie auch zu zeigen. Seine offensichtliche Verlegenheit machte ihn Mila unerwartet sympathisch.
»Lady Vivienne, die erste Frau von Lord Hubert, hat dieses Cottage renoviert und eingerichtet. Wir hätten es mit unserer Unterkunft schlechter treffen können.«
»Ich weiß, sie war meine Tante.«
»O natürlich! Du bist Benedikt Dorchester. Wir sind uns bei dieser verrückten Ruderregatta begegnet«, sagte sie. »Bitte entschuldige, dass ich dich nicht gleich erkannt habe.«
Er kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten, denn ein anderer sprang auf den Tisch, offenkundig in der Absicht, etwas zu verkünden.
So viel zu den guten Manieren , dachte Mila und beobachtete, wie einige der mitgebrachten Gläser bei diesem Stunt unbemerkt vom Tisch rollten.
»Señoras y señores!« Sofort wurde es still. »Hochverehrte Freunde«, fuhr er fort und hob sein Glas. »Wir haben uns heute hier versammelt, um dem verehrten Sebastian die Treue zu schwören. Selbstverständlich hat er nichts mit der unangenehmen Entdeckung in seinem Londoner Zuhause zu tun, und deshalb soll es unsere heilige Pflicht sein, ihn vor dem Pöbel zu schützen.«
»Hört, hört!«, riefen einige, andere lachten.
»Erheben wir nun das Glas: Nihil verum nisi mors. Nichts ist wahr, außer dem Tode! «
Alle erhoben sich, und Mila stand schließlich auch auf. »Für immer treu!«, klang es wie aus einem Mund.
Die Gläser wurden geleert, und jemand drehte die Musik lauter. Offenbar war auch das Büfett mit dieser Rede eröffnet worden. Ben war verschwunden, aber bald darauf kehrte er mit zwei Tellern zurück, auf die er recht wahllos Kostproben der mitgebrachten Köstlichkeiten gestapelt hatte. Bevor er sich zu ihr setzte, zog er eine Weinflasche aus der Sakkotasche und schenkte erst ihr, danach sich selbst ein.
»Auf die zauberhafte Gastgeberin!«
Sie hätte wetten können, dass er genau wusste, wie sie sich fühlte. Eine Spielverderberin wollte sie aber auch nicht sein. Mila, der schon unfreiwillige Gastgeberin auf der Zunge lag, überlegte es sich anders und schenkte ihm ein Lächeln. Ben gab sich wirklich Mühe. Er plaudert charmant über die neuesten Filme, sie entdeckten eine gemeinsame Leidenschaft für das Fliegen, und er zeigte sich angemessen beeindruckt, als sie ihm von ihrer Begeisterung fürs Fallschirmspringen erzählte. Ihr Glas schien nie leer zu werden, und wenn die merkwürdigen Blicke der anderen sie anfangs gestört haben mochten, so beachtete sie diese inzwischen längst nicht mehr. Stattdessen beobachtete sie interessiert, wie Ben eine Art Puderdose aus der Tasche zog und sie fragend ansah. »Willst du?«
»Die Nase pudern?« Verwirrt sah sie sich um, aber das alberne Kichern gehörte tatsächlich ihr.
Anstelle einer Antwort öffnete er die Dose und nahm ein Papierbriefchen heraus, das er bedächtig auseinanderfaltete.
Als sie das weiße Pulver sah, begriff sie endlich, was er ihr da anbot. »Nein, danke. Das ist nichts für mich.« Ihr Blick fiel auf die leere Champagnerflasche zu ihren Füßen. »Ich glaube, ich bin betrunken.« Das Aufstehen fiel ihr nicht ganz leicht, und sie schwankte etwas, als sie zu guter Letzt stand.
Ben machte sich offenbar nichts aus ihrer Ablehnung, und Mila beobachtete fasziniert, wie er mit ruhiger Hand die Droge auf den Spiegel der Schminkdose streute, sie behutsam zu einer Linie zusammenschob und dann lässig eine Art Strohhalm aus der Brusttasche seines Sakkos zog. Alle anderen konnten sehen, was er da tat, doch niemand schien sich daran zu stören.
»Ich brauche frische Luft!«, sagte sie schließlich ein bisschen unlogisch, denn über ihr spannte sich nichts als ein dunkler Sternenhimmel. Was sie wollte war, einen klaren Kopf zu bekommen, und das gelänge am besten so nahe wie möglich am Meer.
»Warte, ich begleite dich!«
Ben war ihr gefolgt, und als er den Arm um ihre Schultern legte, hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass er ihr Halt gab. Eine Weile gingen sie wortlos Seite an Seite, bis Mila sagte: »Wer war dieses Mädchen, das in Sebastians Apartment gestorben ist?«
Für einen winzigen Augenblick versteifte er sich. »Niemand«, sagte er schließlich, und seine Stimme klang plötzlich hart. »Nur ein kleines Flittchen, das geglaubt hat, sie könnte es mit uns aufnehmen.«
Ihr war nicht ganz klar, was er damit sagen wollte. Verdammt, ich hätte nicht so viel trinken sollen! , dachte sie. Höchstwahrscheinlich wäre es besser, das Thema
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