Feuerschwingen
nicht dabei zu sein, wenn sie entdeckte, was unsere Auftraggeberin unter royalem Stil versteht.
Nach einem kurzen Spaziergang zum Personalparkplatz von Stanmore House stieg sie in Anthonys Cabrio und fuhr los. In der Broschüre, die sie zusammen mit dem Gutschein bekommen hatte, stand neben der Anfahrtsbeschreibung, dass ein Café zum Flughafen gehörte und an fast jedem Sommerwochenende Fallschirmsprünge oder Rundflüge angeboten wurden.
Es wäre schade, heute nicht springen zu können. Bei diesem fantastischen Wetter machte sie sich zwar wenig Hoffnung, dass es noch freie Plätze gab, aber allein der Anblick der hügeligen Sommerlandschaft war es wert, diesen Ausflug zu unternehmen.
Einmal hielt sie sogar an, um über die Felder zu blicken, auf denen das Korn langsam reifte. Sie liebte diese Landschaft mit ihren ausgedehnten Wiesen, die sich, nur durchbrochen von Steinmauern, Buschwerk oder Waldstücken, bis zum Horizont erstreckten.
Nach einer Weile fühlte sie sich so leicht und glücklich wie schon lange nicht mehr. Bisher war ihr nicht einmal aufgefallen, dass sie seit einiger Zeit eine merkwürdige Enge in ihrer Brust spürte.
Je weiter sie sich nun aber von Stanmore entfernte, desto freier glaubte sie, atmen zu können. Womöglich lag es am derzeitigen Auftrag, der ihr weniger Spaß machte als üblich. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken, sondern einfach nur den Tag genießen.
Der Parkplatz vor dem flachen Flughafengebäude war gut belegt. Die Hangars standen offen, Motoren brummten, und der warme Wind trug ihr den Geruch von Kerosin entgegen.
Als sie Anthonys Auto abschloss, startete gerade eine zweimotorige Maschine mit einem Segelflugzeug im Schlepp, und sie blickte ihnen sehnsüchtig hinterher. Nahe der Anhöhen weiter landeinwärts sah sie eine Herde Schäfchenwolken, dort wäre die Thermik für die Segler ohne Frage gut, über dem Platz allerdings schwebte nur eine einzige Schönwetterwolke. Kein Grund zur Sorge also, dass das Wetter umschlagen könnte. Mila atmete tief durch, die Atmosphäre hatte ihr gefehlt.
Ein Schild wies den Weg zum Büro der Fallschirmspringer. Ein sympathisch wirkender Mann kam hinter seinem Schreibtisch hervor und begrüßte sie freundlich. Auf den ersten Blick hatte sie ihn für etwa Ende dreißig gehalten. Als sie nun vor ihm stand, wirkte er zwar erschöpft, aber jünger, und sie korrigierte ihre Schätzung um gute zehn Jahre nach unten. Wie ein ernstlich Kranker bewegte er sich zwar nicht gerade, doch die Haut war blass, und unter seinen Augen sah sie dunkle Schatten.
Du siehst Gespenster. Bestimmt hat er einfach nur einen schlechten Tag , ermahnte sie sich.
Seine Kleidung war unverkennbar mit Ölflecken übersät, und die Hände sahen aus, als würde es ein ordentliches Stück Arbeit werden, sie später wieder sauber zu bekommen. Er bemerkte ihren Blick und zuckte mit den Schultern. Dabei grinste er. »Man kann keine Flugzeuge reparieren, ohne sich die Finger schmutzig zu machen.« Freundlich bot er ihr einen Platz an.
»Davon bin ich überzeugt.« Mila setzte sich, zog ihren Gutschein hervor und legte ihn auf den Tisch. »Ein Geschenk«, sagte sie mit einem verlegenen Gesichtsausdruck. »Es ist nur so …«
»Sie möchten nicht springen?« Der Mann rieb seine Hände an den Jeans ab und setzte sich ebenfalls. »Leider darf ich Ihnen die Summe nicht auszahlen. Vielleicht wollen Sie es sich doch noch einmal überlegen?«
»Nein, ich will springen! Nur wusste mein … Bekannter nicht, dass ich eine Lizenz habe.« Noch einmal griff sie in die Tasche und zog das kleine Heft hervor. »Ich dachte, man könnte den Tandem-Sprung eventuell umtauschen.«
»Natürlich, das ist kein Problem.« Nach einem flüchtigen Blick auf ihren Ausweis lächelte er. »Ein Army-Mädel also. Wann sind Sie zuletzt gesprungen?«
»Im letzten Jahr. Ich wohne normalerweise in London, und es ist einfach teuer …«
»Das liebe Geld. Wem fehlt es nicht?« Er stand auf und hielt ihr die Hand hin. »Ich bin Mick. Wenn du willst, kannst du gleich heute springen. Zwei Leute haben abgesagt, und ein Dritter ist noch nicht aufgetaucht. Wir dachten schon, wir könnten den Piloten nicht bezahlen.« Dabei zwinkerte er ihr zu.
»Wirklich, das geht?« Dann sah sie an sich herunter. »Ich habe aber keine Ausrüstung dabei. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass es hier einen Flughafen gibt, bis Anthony mit dem Gutschein ankam.«
»Anthony Khavar? Dann bist du Mila, stimmt’s?«
»Ihr kennt
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