Feuerschwingen
locker zusammengerollten Fallschirm hin und sah sehnsüchtig zum Flugzeug hinüber.
»Weißt du was? Ich fliege nicht mit. Du kannst meinen Schirm haben, wir sind ja fast gleich groß.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja, klar. Warum nicht? Ich sehe doch, wie viel Spaß dir das macht, und du bist echt gut.«
Mick winkte den Piloten zu und signalisierte, dass er warten sollte, dann half er ihr dabei, ins Harness zu steigen, und schloss die Gurte.
»Blue Skies!« Nach diesem Fallschirmspringergruß kehrte er um, hob Milas benutzten Schirm auf und lief Andrea hinterher.
Die Ausrüstung schien korrekt zusammengelegt zu sein. Dennoch war sie hin- und hergerissen zwischen der überlebenswichtigen Pflicht, das Material stets eigenhändig zu überprüfen, und dem Wunsch, ein weiteres Mal zu springen. Am Ende gewann die Freude am Fliegen.
Während sie über das Rollfeld zur Maschine rannte, zog sie am Brustgurt, bis er bequemer saß. Innen ging sie in gebückter Haltung zu ihrem Stammplatz direkt hinter dem Piloten, den ihr eine der Springerinnen freigehalten hatte. Die Luke wurde geschlossen, und wenig später waren sie erneut in der Luft. Die Frau neben ihr kontrollierte netterweise den Zustand des Containers und signalisierte, dass alles seine Ordnung hatte.
Nun war Mila beruhigt und genoss das zunehmende Kribbeln, das sie beim Prüfen der Flughöhe empfand. Noch fünfhundert Meter, dann war es so weit: Die Lampe über der Tür leuchtete grün auf. Alle stiegen dieses Mal nacheinander aus, Mila mit dem festen Vorsatz, den Sprung so lange wie möglich auszukosten und die anschließende Schirmfahrt zu nutzen, um einige Manöver zu üben. Ein zweites Mal hatte sie keine Lust auf einen so langen Fußmarsch zurück zum Flughafengebäude.
Knapp unterhalb der Eintausend-Meter-Grenze zog sie den Griff, um ihren Hauptschirm zu öffnen. Ihr Fall wurde abrupt gebremst, aber ein merkwürdiges Krachen veranlasste sie dazu, erschrocken nach oben sehen. Der Schirm ließ sich zwar durch wenige Handgriffe auseinanderfalten, aber dann ertönte abermals dieses Geräusch, und sie musste entsetzt mit ansehen, wie weitere Kammern aufrissen und das Material immer mehr zerfetzte.
Unmöglich!
Und doch raste Mila ungebremst der Erde entgegen. Ihr blieben nur Sekunden. Da gab es nichts zu überlegen. Eilig trennte sie den Schirm ab, was zum Glück sofort klappte. Die Zeit schien viel schneller zu vergehen. Jetzt der Reservegriff.
Nichts geschah. Mila zog ein zweites Mal … und hielt ihn in der Hand. Verdammt!
Nicht einmal ausreichend Gelegenheit, all ihre Sünden zu bereuen, blieben ihr vor dem Aufprall und schon gar nicht diejenigen, die sie noch nicht begangen hatte. Lucian fiel ihr ein und dass sie ihn gern geküsst hätte. Wie absurd, dass ausgerechnet ihr Leben durch einen Sturz aus heiterem Himmel beendet sein sollte.
Plötzlich nahm ihr ein dunkler Schatten die Sicht. Jetzt verpasse ich wegen so einer albernen Ohnmacht meinen eigenen Tod! , dachte sie und verlor das Bewusstsein.
Als sie jedoch ebenso schnell wieder zu sich kam, befand sie sich keineswegs auf dem Boden und schon gar nicht in der Hölle. Stattdessen schwebte sie lautlos über Baumwipfel hinweg auf eine kleine Wiese zu. Ein eigenartiges Rauschen, mehr hörte sie nicht. Als sie nach oben blickte, sah sie nachtschwarze Flügel zwischen sich und dem Himmel. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn diese Flügel gehörten keinem Engel. Jedenfalls legte ihre Farbe den Schluss nahe. Obwohl es die prächtigsten Schwingen waren, die sie je gesehen hatten, besaßen sie ein eindeutiges Manko: ihre Farbe, oder vielmehr das Fehlen einer solchen. Sie waren so schwarz, dass sie das Licht zu absorbieren schienen. Mila fror in dieser beängstigenden Dunkelheit, die sie umfing, und ihr Herz galoppierte davon, als wollte es vor dem dramatischen Ende noch so viel Schläge wie irgend möglich tun.
Bin ich in der Hölle? Oder zumindest auf dem Weg dorthin? Instinktiv versuchte sie, sich loszureißen. Mila strampelte und krallte verzweifelt ihr Nägel in die Arme des Dämons. Doch aller Widerstand half nichts – er hielt sie so fest umklammert, wie es nur der Tod konnte.
Ohne ihn wärst du doch schon längst am Boden , gab die innere Stimme mit gewohnter Ruhe zu bedenken. Wer würde sich diese Mühe machen, hätte dein letztes Stündlein geschlagen?
Die Logik war ihr einsichtig. Also versuchte sie, sich umzuwenden, um das Gesicht des Todesengels erkennen zu können. Doch außer einem Paar
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