Feuersee
habt mich erschreckt,
Bewahrer!« sagte Pons vorwurfsvoll und wischte sich mit dem
Ärmel der
schwarzen, grün verbrämten Robe über die
Stirn. Grün war das Abzeichen seiner
Stellung bei Hof. »Tut das nie wieder!«
»Ich bitte um Vergebung, Mylord, aber wir sind
es nicht gewohnt, Lebende hier unten zu sehen.«
Die Gestalt verneigte sich, Haplo sah zu seiner
Erleichterung, daß der Manti lebte.
»Dann werdet Ihr Euch daran gewöhnen
müssen.«
Mit seinem überheblichen Ton versuchte Pons, die eben gezeigte
Schwäche
vergessen zu machen. »Hier ist ein lebender Gefangener
für Euch. Er soll gut
behandelt werden – auf Befehl Seiner
Majestät.«
»Lebende Gefangene«, meinte der Bewahrer
mit
einem unfreundlichen Blick auf Haplo, »sind eine
Last.«
»Ich weiß, aber es geht nicht anders.
Dieser
Mann …« Pons zog den Bewahrer zur Seite und sprach
flüsternd auf ihn ein.
Die Augen der beiden Männer ruhten auf den
tätowierten Runen an Haplos Händen und Armen. Ihre
starrenden Blicke
verursachten ihm Unbehagen, doch er ließ sich nichts
anmerken. Er wollte
verdammt sein, wenn er ihnen die Genugtuung gab zu sehen, daß
es ihnen gelang,
ihn aus der Ruhe zu bringen.
Auch daß er von dem Kanzler des Herrschers ins
Vertrauen gezogen worden war, schien den Bewahrer nicht
versöhnlicher gestimmt
zu haben. »Sonderfall oder nicht, es läuft ja doch
darauf hinaus, daß man ihn
füttern, tränken und beaufsichtigen muß.
Und ich bin ohne einen Helfer während
der Schlafhälfte, obwohl ich oft genug einen Assistenten
beantragt habe.«
»Seine Majestät sind sich bewußt
– bedauert
zutiefst – vorläufig nicht zu ändern
…« murmelte Pons.
Der Bewahrer holte schnaufend Luft, wies auf
Haplo und gab einem der Wiedergänger Anweisungen.
»Bring den Lebenden in die
Zelle neben dem Neuzugang, der eben gebracht wurde. So kann ich den
einen im
Auge behalten, während ich an dem anderen arbeite.«
»Ich bin sicher, Seine Majestät wird morgen
mit
Euch sprechen wollen«, wandte der Kanzler sich zum Abschied
an Haplo.
Haplo zuckte vor der Berührung des
Wiedergängers
zurück. »Sagt dem Wesen, es soll die Finger von mir
lassen!«
»Was habe ich Euch gesagt!« der Bewahrer
verdrehte
die Augen. »Kommt jetzt mit.«
Haplo und sein Begleiter gingen an Zellen
vorbei, in denen Wiedergänger auf nackten Steinbänken
lagen oder ruhelos auf
und ab gingen. Umhüllt von ihrem eigenen fahlen Leuchten,
konnte man die
Schemen neben den Toten schweben sehen. Gitterstäbe und
Schlösser verhinderten
ein Entkommen aus den kleinen, höhlenähnlichen
Nischen.
»Ihr haltet es für nötig, die
Toten einzusperren
l« fragte Haplo und hätte fast laut aufgelacht.
Der Bewacher blieb stehen, um eine leere Zelle
aufzuschließen.
Bei einem Blick in die Zelle gegenüber sah Haplo, wie der
Leichnam des Prinzen
mit der großen, blutigen Wunde in der Brust von zwei
Wiedergängern auf eine
Steinbank gelegt wurde.
»Selbstverständlich sperren wir sie ein!
Glaubt
Ihr etwa, ich möchte, daß sie mir hier unter den
Füßen herumlaufen? Ich habe
auch so genug Arbeit. Beeilt Euch. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.
Ich
nehme an. Ihr wollt auch etwas zu essen und zu trinken?« Der
Bewahrer schlug
die Tür zu und funkelte seinen Gefangenen zwischen den
Gitterstäben hindurch
an.
»Nur Wasser.« Haplo war der Appetit
vergangen.
Der Bewahrer holte einen Becher, schob ihn in
die Zelle und schöpfte mit einer Kelle Wasser hinein. Haplo
nahm einen Schluck
und spuckte ihn gleich wieder aus. Das Wasser schmeckte nach Verwesung.
Er
benutzte den Rest, um sich das Blut des Prinzen von Händen,
Armen und Beinen zu
waschen. Der Bewahrer krauste mißbilligend die Stirn, als sei
das in seinen
Augen eine Verschwendung, doch er sagte nichts. Er hatte es offenbar
eilig, mit
seiner Arbeit an dem Prinzen zu beginnen. Haplo legte sich auf die
steinerne
Pritsche, das ganze Bettzeug bestand aus ein paar
Handvoll Kairngras.
Ein Runengesang der Sartan tönte durch die
Verliese. Ein fast unhörbares Echo schien ihm zu antworten,
eine gespenstische
Klage, erfüllt von unbeschreiblicher Trauer. Die Schemen,
sagte Haplo sich. Er
mußte an den Hund und dessen letztes, qualvolles Jaulen
denken.
Er sah die Augen, die Überzeugung, daß sein
Herr
ihm helfen würde, wie er es immer getan hatte.
Haplo biß die Zähne zusammen und verjagte
die
Bilder aus seinem Kopf. Er kramte in
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