Feuersee
mir
gut zu, aber es
half nichts, sie mußte gehen.«
»Was für ein verwöhnter
Bengel!« Jera lächelte
ihren Mann über den Rand der Teetasse hinweg an.
»Ja, ich glaube, das bin ich gewesen«, gab
Jonathan zu und bekam rote Ohren. »Ich war zu Hause der
jüngste, müßt Ihr
wissen. Übrigens, Liebste, da wir gerade von zu Hause sprechen
…«
Jera setzte die Teetasse ab und schüttelte
entschieden den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Ich
weiß, daß du wegen der Ernte
besorgt bist, aber Felsengard ist der Ort, an dem die Truppen des
Herrschers
zuerst nach uns suchen werden.«
»Aber werden sie nicht auch hierher
kommen?«
fragte Jonathan und hörte auf zu essen. Die Gabel blieb auf
halbem Weg zum Mund
in der Schwebe.
Jera beendete ungerührt ihr
Frühstück. »Ich habe
heute morgen Nachricht von Tomas erhalten. Die Truppen sind nach
Felsengard
aufgebrochen. Bis zu unserer Burg brauchen sie mindestens einen halben
Zyklus.
Es dauerte einige Zeit, bis sie alles durchsucht haben, dann wieder ein
halber
Zyklus für den Rückweg, um Bericht zu erstatten. Wenn
Kleitus überhaupt noch an
uns interessiert ist, nachdem er jetzt seinen Krieg hat, wird er sie
hierhin in
Marsch setzen. Vor morgen können sie die alten Provinzen nicht
erreichen. Wir
aber brechen heute noch auf, sobald Tomas eingetroffen ist.«
»Ist sie nicht wundervoll, Alfred«,
schwärmte
Jonathan und schaute seine Frau bewundernd an. »Ich
hätte an all das nicht
gedacht. Ich wäre, ohne zu überlegen, blindlings
davongelaufen und den Soldaten
des Herrschers geradewegs in die Arme.«
»Ja, wundervoll«, brummte Alfred. Dieses
Gerede
von Truppen, Befreiungsaktion und Krieg machte ihm angst. Geruch und
Anblick
des fetten Torb auf seinem Teller verursachten ihm Übelkeit.
Während Jera und
Jonathan einander tief in die Augen sahen, nahm Alfred eine
große Scheibe
Fleisch von seinem Teller und gab sie dem Hund, der zu seinen
Füßen unter dem
Tisch lag. Der Bissen wurde gnädig angenommen und mit einem
Schwanzwedeln
quittiert. Nach dem Frühstück verschwanden der Herzog
und die Herzogin, um
letzte Vorbereitungen zum Aufbruch zu treffen. Der Graf blieb in seinem
Labor
verschwunden. Alfred war seiner eigenen, wenig erheiternden
Gesellschaft
ausgeliefert (und der des allgegenwärtigen Hundes). Er
wanderte durch das Haus
und fand sich nach einiger Zeit in der Bibliothek wieder.
Der Raum war klein und fensterlos, von Gaslampen
erleuchtet. Auf Regalen standen zahlreiche Bücher. Einige
waren ziemlich alt,
die Ledereinbände mürbe und brüchig. Alfred
trat nur zögernd näher, ängstlich
auch, obwohl er keine Ahnung hatte, was er eigentlich
fürchtete, dort vorzufinden
– Stimmen aus der Vergangenheit vielleicht, die von Versagen
und Niederlage
flüsterten. Mit ungeheurer Erleichterung sah er, daß
ihn nichts erwartete als
Fachbücher über landwirtschaftliche Themen: Die
Kultivierung von Kairngras;
Krankheiten des Pauka, Symptome und Heilung.
»Es gibt sogar«, sagte er im Plauderton
und
schaute nach unten, »ein Buch über Hunde.«
Beim Klang seines Namens spitzte das Tier die
Ohren und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden.
»Auch wenn ich wetten möchte, daß
so etwas wie du
nicht darin vorkommt«, fügte er leise hinzu.
Das Maul des Hundes öffnete sich zu einem
stummen Lachen, die klugen Augen schienen ihm vergnügt
beizupflichten.
Alfred setzte die trübsinnige Suche fort. Ein
dicker Band, der Rücken verschwenderisch mit Blattgold
geschmückt, fiel ihm ins
Auge. Es war ein schönes Buch, sorgfältig gebunden
und – obwohl allem Anschein
nach vielgelesen – liebevoll gepflegt. Er zog es heraus und
suchte nach dem
Titel.
Die moderne Kunst der Nekromantie.
Am ganzen Leib zitternd, versuchte Alfred, den
Band wieder an seinen Platz im Regal zu stellen, doch seine bebenden
Hände
waren noch ungeschickter als gewöhnlich. Das Buch fiel zu
Boden, und er
flüchtete aus dem Zimmer.
Verstört durchstreifte er die übrigen
Flügel des
düsteren Gebäudes. Ruhelos und unfähig,
still zu sitzen, wanderte er von Zimmer
zu Zimmer, starrte durch Fenster auf die triste Aussicht, stolperte mit
den
großen Füßen über kleine
Möbelstücke oder den Hund und verschüttete
fahrig
etliche Tassen Tee.
Wovor hast du denn Angst? fragt er sich. Ohne
daß er es wollte, kehrten seine Gedanken immer wieder in die
Bibliothek zurück.
Doch nicht davor, du könntest der
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