Feuersee
dein Volk könnte hier leben!«
»Oder deins«, gab Alfred zu bedenken.
»Ha! Wir beide wissen, daß das
höchst
unwahrscheinlich ist.«
»Wir wissen überhaupt nichts. Nichtige
könnten
hier leben. Im Lauf der Zeit …«
Haplo wandte sich ab; er bedauerte, daß er
darauf zu sprechen gekommen war. »Es hat keinen Sinn zu
spekulieren. Wir werden
es vermutlich schon bald herausfinden. Die Leute, die hier wohnen, sind
noch
nicht lange fort.«
»Woran siehst du das?«
Als Antwort hielt der Patryn einen Laib Brot in
die Höhe, den er eben durchgebrochen hatte.
»Außen zäh«,
erläuterte er und bohrte den Finger
in die Kruste, »in der Mitte weich. Läge es schon
lange hier, wäre es hart. Und
niemand hat sich die Mühe gemacht, es mit Haltbarkeitsrunen zu
versehen, also
sollte es gegessen und nicht gelagert werden.«
»Ich verstehe«, sagte Alfred bewundernd.
»Das
wäre mir nie aufgefallen.«
»Man lernt im Labyrinth, auf solche
Kleinigkeiten zu achten. Die es nicht lernen, sterben.«
Mit sichtlichem Unbehagen wechselte der Sartan
das Thema. »Was, glaubst du, war der Grund für ihre
Flucht?«
»Krieg«, antwortete Haplo, nahm ein volles
Weinglas vom Tisch und hielt es an die Nase. Der Inhalt roch
scheußlich.
»Krieg!« Alfreds fassungsloser Ausruf
ließ den
Patryn aufmerken. »Ja, wenn man es recht bedenkt, ist es merkwürdig,
nicht wahr? Dein Volk rühmt sich doch, mit friedlichen
Lösungen für alle
Probleme aufwarten zu können. Trotzdem sieht es für
mich ganz danach aus.«
»Ich verstehe nicht …«
Haplo winkte ungeduldig ab. »Die Tür offen,
Stühle umgestürzt, das Essen auf dem Tisch, nicht ein
Schiff im Hafen.«
»Ich fürchte, ich verstehe immer noch
nicht.«
»Jemand, der nur kurz das Haus
verläßt oder zu
einer Reise aufbricht, nimmt sich die Zeit, die Tür hinter
sich abzuschließen.
Jemand, der um sein Leben fürchtet, läuft einfach
davon. Dann sind die Leute
vom gedeckten Tisch aufgesprungen und haben nicht einmal mitgenommen,
was
leicht zu greifen und zu transportieren ist – Teller,
Besteck, Becher,
Flaschen. Ich wette, wenn du nach oben gehst, findest du ihre Kleider
noch in
den Schränken. Man hat die Leute vor einer drohenden Gefahr
gewarnt, und sie
haben sich unverzüglich in Sicherheit gebracht.«
Alfreds Augen weiteten sich vor Entsetzen, als
ihm plötzlich die volle Bedeutung dieser Worte zu
Bewußtsein kam. »Aber, wenn
das stimmt, was du sagst, dann …«
»… dann nähert sich die Gefahr,
vor der sie
geflohen sind, jetzt uns«, vollendete Haplo den Satz. Er
fühlte sich beinahe
erleichtert. Alfred hatte recht. Die Bewohner dieser Welt konnten keine
Sartan
sein.
Nach allem, was er von ihrer Geschichte wußte,
hatten die Sartan niemals Krieg geführt, nicht einmal gegen
ihre ärgsten
Feinde. Sie hatten für die Patryn ein Gefängnis
erschaffen, einen magischen
Kerker, von einem eigenen bösartigen Willen beseelt, der nur
darauf bedacht
war, die Gefangenen zu töten. Wenn man den alten
Aufzeichnungen glauben durfte,
sollte dieses Gefängnis allerdings nur ein Ort der
Läuterung sein und den
Patryn Gelegenheit geben, ihren überheblichen Stolz und
blinden Ehrgeiz zu
mäßigen.
»Und da sie in solcher Hast geflohen sind,
muß
diese Gefahr bereits ganz nahe sein.« Alfred warf einen
ängstlichen Blick aus
dem Fenster. »Sollten wir nicht besser auch gehen?«
»Ja. Hier finden wir ohnehin nichts mehr, das
uns weiterhilft.«
So unbeholfen er war, Alfred konnte sich
erstaunlich schnell bewegen, wenn es drauf ankam. Noch vor Haplo und
sogar dem
Hund erreichte er die Tür, stürmte nach
draußen und war schon auf halbem Weg
zum Pier und dem rettenden Schiff, bevor er merkte, daß
niemand ihm folgte. Er
drehte sich um und rief nach Haplo, der sich in entgegengesetzter
Richtung
entfernte, zum Stadtrand hin.
Alfreds Stimme hallte laut zwischen den
verlassenen Gebäuden. Haplo ging weiter, als hätte er
nichts gehört. Der Sartan
zog den Kopf zwischen die Schultern und verzichtete darauf, wieder zu
rufen.
Statt dessen setzte er sich ergeben in Trab, stolperte über
seine Füße und fiel
platt aufs Gesicht. Getreu Haplos Befehl blieb der Hund an seiner
Seite, und
schließlich hatte Alfred den Patryn eingeholt.
»Wenn deine Vermutungen richtig sind«,
keuchte
er atemlos, »befindet sich der Feind genau da, wohin du
unterwegs bist!«
»Allerdings«, antwortete Haplo
kühl. »Schau.«
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