Feuersteins Ersatzbuch
ohne jedes Wehwehchen
Ihr G.
Köln, 17. November
Lieber G.,
aha. Hätte ich bloß nicht nachgefragt. In noch tieferer Sorge,
Ihr Herbert Feuerstein
Rishikesh, 18. November
Lieber Feuerstein,
wie schön, dass wir uns wieder gefunden haben!
Der ayurvedische Arzt wirkt so vertrauenswürdig wie zeitweise rätselhaft. Meine Frau und ich haben gestern am Pool ein nettes Hoteliersehepaar aus St. Moritz kennen gelernt. Er nun erzählte mir betrübt, dass er nicht in den Urlaub gefahren sei, um sich Einläufe verpassen zu lassen und sich »therapeutisch zu erbrechen«. Der Arzt beharre aber darauf, er könne ihm zwar das Pancha Karma Treatment nicht aufzwingen, aber er sei für eine solche Behandlung sozusagen der ideale Kandidat. Seine Frau hingegen, sagte der Schweizer, sei auf »therapeutisches Erbrechen« und den Einlauf ganz scharf gewesen, habe ihn aber nicht verschrieben bekommen.
Ich erzählte dem Schweizer daraufhin, dass das bei meiner Frau und mir derselbe Fall sei. Das sei ja ein Ding, sagte der Schweizer. Nun stehen unsere Frauen rauchend vor der Yoga-Wiese und lachen, während der Schweizer und ich so gelassen wie nötig die Sache in Angriff nehmen werden.
Noch ein Rätsel, lieber Feuerstein: Wir waren heute Abend in Rishikesh, dem Ort der heiligen Männer unten am Ganges. Über dem Ort, in dem John, Paul, George und Ringo in den 60ern von Maharishi Mahesh Yogi erleuchtet wurden, liegt in der Tat ein durch zahllose Anbetungen hinduistischer Heiliger erfüllter Zauber. Eine spirituelle Erfahrung. Auf dem Rückweg zum Auto hat mich jedoch eine der vielen heiligen Kühe, die dort rumstehen und den Gemüsehändlern eine Monatsmiete vom Karren mampfen, unfein von der Seite attackiert, und zwar ohne ersichtlichen Grund. Wollten Sie ein Zeichen senden?
Ihr G.
Köln, 18. November
Lieber G.,
Sie überschätzen meine Macht! Die Kuh, die Sie rammte, war kein Zeichen von mir, und schon gar nicht ein Zeichen von Lord Buddha. Sondern einfach eine Kuh, der Sie im Weg standen. Müssten Sie eigentlich von den Frauen gewohnt sein.
Danke für die ausführliche Schilderung Ihrer Befindlichkeit. Interessant ist vor allem, dass Sie das »therapeutische Erbrechen« eindeutig als Höhepunkt Ihrer Reise empfinden. Deshalb also fahren Sie nach Indien? Reicht Ihnen dafür nicht zu Hause die >Bild<-Zeitung?
Aber lassen Sie mich ernsthaft auf die beiden letzten Briefe antworten, denn ich glaube, dass Sie sich auf einem Irrweg befinden. Wellness in einem Luxushotel sollte man nicht mit der Wahrheitssuche verwechseln. Das Problem beginnt allein schon damit, dass man dafür zahlen muss. Kirchensteuer jeder Art aber macht aus der Heilslehre einen Tarifvertrag: Selig sind dann immer nur die Reichen im Konto. Auch der Weg scheint mir zu kurz. Wenn Buddha erst nach jahrzehntelanger Wanderschaft die Erleuchtung fand, dürfen Sie nicht schon in vier Tagen die Erfüllung abzocken wollen. Es würde helfen, wenn Sie den Rückweg nach Deutschland zu Fuß antreten.
Bemerkenswert finde ich, dass der ayurvedische Arzt Ihr Problem sofort erkannt hat: Die Angst des Machos vor dem Einlauf. Ein organisierter Erbrecher weiß eben, was er zu tun hat. Dazu passt auch ihre Metapher von den »in Öl getauchten Elefantenzungen«. Wieso geben Sie nicht einfach zu, dass es geil ist, mal von vier kräftigen Männerhänden massiert zu werden? Lassen Sie die armen Elefanten aus dem Spiel. Elefantenzungen sind nicht lang genug für diesen Job, von den Stoßzähnen ganz abgesehen.
Noch eine Bitte zum Abschluss: Fühlen Sie sich nie wieder als ich! Das ist mir unangenehmer als Ihnen der Einlauf.
Ihr Herbert Feuerstein
Rishikesh, 19. November
Lieber Feuerstein,
vielen Dank für Ihren Brief, die Sache mit der Kuh hatte mir in der Tat keine Ruhe mehr gelassen. Sie haben sicher Recht, erleuchtet wird man nicht in wenigen Tagen, aber ich vermute, im Gegensatz zu Ihnen habe ich mit dieser Reise den richtigen Weg eingeschlagen.
Meine Frau und ich haben soeben drei weitere Anwendungen über uns ergehen lassen und sind noch etwas benommen. Was mich betrifft, ergab sich dabei folgender »Wasser-Öl-Dreiklang«: Im Seaweed Hydrotherapy Bath wird man in eine Art Badewanne voller pulverisierter Algen und heißen Wassers von diversen Düsen abgetastet und dann in die Mangel genommen, wie sonst nur Kraftfahrzeuge in Autowaschanlagen. Die Hydro-Jet-Body -Blitzbehandlung müssen Sie sich hingegen vorstellen wie eine humane Hinrichtung. Man steht am Ende eines ca.
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