Feuersteins Ersatzbuch
zu, dass Sie es im Augenblick eindeutig besser haben.
Köln, 16. November
Lieber G.,
leben Sie noch? Ich habe jetzt zwei Tage nichts von Ihnen gehört und bin beunruhigt. Nicht dass ich großen Wert auf Ihr Gejammer lege, aber irgendwie sind Sie ja doch ein netter Mensch, egal, was man so redet. Also, was ist los? Sind Ihre Doshas abgestürzt? Befinden Sie sich in einem esoterischen Rauschzustand? Hat die Ananda-Touch-Massage Ihre Ehe zerstört? Sind Sie zusammen mit dem Masseur bereits auf der Flucht nach Goa? Oder haben im Vernichtungskrieg, der stets in unseren Därmen tobt, jetzt doch die Ruhr-Amöben Oberhand über Ihre bayerische Bierhefe gewonnen?
In tiefer Sorge
Ihr Herbert Feuerstein
Rishikesh, 17. November
Lieber Feuerstein,
herrje, hoffentlich erreicht Sie wenigstens dieses Fax, ich sende das alte noch mal mit! Ach, Feuerstein, die Götter spielen verrückt, ist es nicht wunderbar? Hier der Text von vorgestern:
Als mir der Boy heute nach meinen Anwendungen — während ich am Pool am Fuße des Himalajas lag, mich von trübsinnigen Energien befreite (durch Ausatmen) und positive Energien aufbaute (durch Einatmen) — neben meinem Jasmintee auch noch Ihr Fax servierte, dachte ich: Schau an, dein rheinischer Berater Feuerstein!
In der Tat: Sie sind ich, wenn ich zu Hause bin, Sie sind mein daheimgebliebenes Ich. Voller Sehnsucht nach Einheit von Geist, Seele und Körper, aber durch das Tagesgeschäft (»rheinische Karnevalisten«) vollkommen ruiniert. Ich wage mir Sie nicht in den Zellstoffunterhosen vorzustellen, die man hier im Mandarin Ananda im Rahmen einer Einmalverwendung zu den Anwendungen anzuziehen pflegt. Es gibt aber eine gute Nachricht für Sie: In der Tat wird mir der ayurvedische Arzt im Rahmen meines Wellness-Programms das Pancha Karma Treatment verpassen. Es gibt also einen Einlauf und ein therapeutisches Erbrechen. Ich sehe dem, wie überhaupt allem, was das Leben noch so bereit hält, gelassen entgegen und danke Krishna für die Schadenfreude, die er Ihnen beschert.
Der Doktor sagte mir nach einer Untersuchung in mehr oder weniger deutlichen Worten, dass meine Bioenergien nicht nur in einer Fehlbalance, sondern insgesamt völlig im Eimer seien. Dies könne noch, müsse aber nicht dumm enden. Gut, dass sich mal einer darum kümmert. Und gut, dass sein schönes Sprechzimmer nicht von misanthropischen Münchnern vollgehustet wird, sondern von Menschen wie mir, die das Leben etwas leichter zu nehmen wissen, denn: Es ist ja nicht unser einziges Leben. Einer Wiedergeburt steht unter Umständen nichts im Wege.
Lassen Sie mich kurz die heutigen Anwendungen beschreiben, welche die Tür zum Glück schon einen Spalt öffneten: Die Papaya Body Polish war noch die vergleichsweise unspektakulärste. Der Masseur sagte, er reibe meinen Körper nun mit einem frisch angerührten Mus aus Papaya und Körnern ein, dabei stürben alte und böse Hautzellen ab, nachher fühle sich die Haut zwar noch nicht wie neu an, sie sei aber schon mal auf dem richtigen Weg. Ist der Körper dann auf der Marmorbank über und über mit Papayamus beschmiert, zwickt alles, weil die bösen Hautzellen sich verdrücken sollen, dabei aber nicht kampflos aufgeben. Das Zwicken, sagte mein Masseur, sei dementsprechend: normal. In der Tat sieht man jetzt aus wie ein Nachtisch, aber als Nachtisch trägt man keine Zellstoffunterhose, außerdem darf man anschließend duschen.
Von großer Göttlichkeit waren die zwei anschließenden Behandlungen: In der 45minütigen Abhyanga massieren zwei Männer je eine Körperhälfte mit einem Öl, welches aus Ingwer sowie 40 Kräutern zusammengerührt wurde, in völliger Synchronität. Das Gefühl ist so erhebend, als ob einen zwei kräftige, in Öl getauchte Elefantenzungen synchron ganzkörperbelecken. Ich bat die beiden, nie mehr damit aufzuhören. Jene hingegen baten mich, mit dem Quasseln aufzuhören und statt dessen in mich hineinzuhorchen. Denn nun beginne Thakradahara, welches geeignet sei, Schlaflosigkeit, Depression und andere europäische Symptome zu heilen.
Dabei wird dem liegenden Klienten rund eine halbe Stunde lang aus einem kleinen Loch in einem großen goldenen Kessel warme Buttermilch über die Stirn gegossen. Was nach profaner Folter klingt, kann so schlimm nicht sein, denn in der Tat bin ich nach wenigen Minuten eingeschlafen. Ach, liebster Feuerstein, geschlafen? Es war vom paradiesischsten Weggetretensein. Das letzte Mal habe ich so gut im Mutterleib geruht! Es grüßt
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