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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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berichten, klingt trotz ironischer Überhöhung nicht übel. Zugegeben, Dreiklänge können töten, das wissen wir vom Musikantenstadl, aber der Ihre hat mir durchaus gefallen. Und deshalb finde ich, Sie müssen da durch. Bis zum Ende. Der ayurvedische Arzt hat absolut Recht, wenn er Sie im Zustand der Disharmonie wähnt: Sie brauchen die Befreiung. Deshalb fordere ich Sie ganz eindringlich auf — und ich bin sicher, ich spreche auch im Namen aller Kollegen und Leser: Erbrechen Sie! Und: Lassen Sie sich endlich den Einlauf reinschieben! Erwartungsvoll
    Ihr Herbert Feuerstein

    Rishikesh, 20. November
    Lieber Feuerstein,
    Indien! Indien!
    Flimmernd flirrt die Abendsonne hinterm Scherenschnitt der Himalajakette, unten am Ganges sammeln sich die Meditierenden in den Ashrams und verneigen sich vor Shiva, der als Statue im Fluss steht und weise lächelt. Bitte, lieber Feuerstein, jetzt, wo wir ein wenig die Tonlage gewechselt haben: Erklären Sie mir, wieso hier auch die Ärmsten der Armen lächeln statt zu lamentieren?
    Im Rahmen meiner Behandlungen stand heute eine Couple Massage an, die ich also gemeinsam mit meiner Frau genoss und deren wesentlicher Reiz darin lag, dass meine Frau von einer Frau und ihr Mann, also ich, von einem Mann massiert wurde, und zwar im selben Raum zur selben Zeit. So konnte man diverse Beziehungsprobleme der letzten Monate während der Massage noch mal ansprechen, wenn auch natürlich nicht ausdiskutieren. Danach gab es für mich eine Anwendung, die ich in Anspruch genommen habe, obwohl ich sie bisher nur Männern zugetraut habe, die eine Frau sein wollen: die neunzigminütige Ananda Royal Facial Massage. Zu diesem Zweck wurden so oft verschiedene Kräuteröle, Pasten und Pülverchen über meinem Gesicht verrieben, bis ich in einer Meditation versank, aus der ich schließlich durch leise Sitarklänge, den Geruch von Zitrusöl und eine Fußreflexzonenmassage wieder erwachte. Meine Nebenhöhlen sind nun erstmals seit Jahren komplett frei, zu Hause werde ich die Menschen in der U-Bahn riechen können!
    Der ayurvedische Arzt bestand heute in der Tat auf dem Einlauf, welcher jetzt, kurz vor unserer Abreise ohne Wenn und Aber bevorsteht. Da ich damit auch Ihnen eine Freude mache, werde ich das wohl angehen, mich aber nicht mehr gesondert erbrechen, man muss ja nicht alles auf die Spitze treiben.
    Ach, lieber Feuerstein, schon bald werden wir im Nachtzug nach Delhi sitzen und dann im Flieger nach München. Möge Kxishna für immer bei uns bleiben, auch bei der Zwischenlandung in Dubai und erst recht, wenn wir am Ende in München am Flughafen unsere Koffer öffnen müssen.
    Indien! Indien!
    Ihr G.
    PS: Soll ich Ihnen was mitbringen?

    Köln, 20. November
    Lieber G.,
    die große Prüfung jeder Ehe kommt, wenn man mit dem Partner in fremder Umgebung auf engstem Raum mehr als zehn Minuten allein ist. Schön, dass Ihr sie bestanden habt. Das schaffen nur wenige. Allein deshalb hat sich die Reise gelohnt.
    Tja, das Lächeln der Armen. Ich habe auch immer wieder darüber gestaunt, in Südamerika, in Asien, vor allem in Afrika. Warum lächeln sie? Damit wir Erstländer keine Schuldgefühle haben müssen, weil sie uns damit zeigen: »Armut macht glücklich?« Nein, aus Zufriedenheit lächeln sie nicht. Denn wenn man mit einem Lächelnden länger redet, wird es irgendwann lächelnd aus ihm herausplatzen, wie beschissen sein Leben ist. Ich glaube, dieses Lächeln ist zum einen Teil die Geste der Höflichkeit im Umgang miteinander, genau so, wie wir dem Gast eine Tasse Kaffee anbieten, in der Hoffnung, dass er sie ablehnt und uns keine Umstände macht. Und zum anderen, größeren Teil ist es das freundliche, aber fest verschlossene Tor zu dem, was innen vorgeht. Oft wird das Lächeln von uns Touristen missverstanden, wie nett die armen Menschen seien. Das stimmt nicht immer. Sie lächeln auch mit vorgehaltener Schusswaffe.
    Noch etwas, was Sie bestimmt selber längst bemerkt haben — ich sage es trotzdem: Indien verwirrt. Diese ständige Auseinandersetzung mit dem Transzendenten, das Mystische so geballt, dass man es fast mit den Händen greifen kann, dazu die Landschaft, die innere Versenkung und nicht zuletzt die von Ihnen erfahrenen Geheimnisse einer alten Heilkunst versetzen uns in Zustände, die uns die Vernunft rauben. »Wahnsinn« nennen Sie dieses seltsame Glücksgefühl, denn eigentlich ist es völlig unbegründet: Da ist ja noch das andere Gesicht Indiens, die fürchterlichen sozialen Missstände,

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