Feuersteins Ersatzbuch
die Ungerechtigkeit, die Unterdrückung. Vergessen wir nicht: Genau wie Deutschland ist auch Indien ein Kastenstaat. Aber während es bei uns nur zwei Kasten gibt, nämlich Deutsche und Asylanten, gibt es in Indien sehr viel mehr mit wesentlich komplizierteren, abgestuften Ungerechtigkeiten. Entsprechend mehr Gründe muss es geben, auf verschiedene Arten verzweifelt zu lächeln.
Schade, dass Sie dem ayurvedischen Arzt das therapeutische Erbrechen ausgeredet haben. Das werden Sie bestimmt bereuen. Wahrscheinlich packt es Sie dann nach der Rückkehr umso heftiger, und Sie haben dann das Bedürfnis, sich auszukotzen. Aber bitte nicht bei mir!
Ihr Herbert Feuerstein
PS: Bringen Sie mir ein Stück Erleuchtung mit. Aber was soll’s, spätestens am Gepäckband des Münchner Flughafens ist die weg. Bleibt ja zum Glück noch der Einlauf. Und? Wie war er?
München, 22. November
Lieber Feuerstein,
der Einlauf? Ist vollbracht. Brauche ich das täglich? Oh, nein, und abermals: nein. Seitlings liegend die Verrichtungen eines lieben kleinen Inders an einer Stelle zu erspüren, an der ich lieber nichts erspüren möchte, ist ein fragwürdiges Erlebnis. Auch bollerte der Bauch hernach scheinschwangerartig. Aber: Vata, Pitta, Kapha? Im Lot! Und jetzt sind wir wieder daheim. Kein Bauch bollert. Das Land, farblos. Niemand hupt. Aber den unendlichen Götterhimmel haben wir mitgenommen. Danke für Ihre Hilfe, lieber Feuerstein. Frieden, Frieden, Frieden. Shanti, Shanti, Shanti.
Ihr G.
Köln, 22. November
Lieber G.,
ist ja gut. Ein Shanti hätte gereicht. Willkommen in der Leitkultur.
Ihr Herbert Feuerstein
SIEBEN WEITERE REISETIPPS
l.
Zur gelungenen Reise gehört auch gutes Benehmen — und dieses beginnt bereits im Flugzeug. Wenn sich zum Beispiel das Bordpersonal im Mittelgang in obszönen Verrenkungen windet, so handelt es sich um Vorführungen zu Ihrer Sicherheit, nicht um den Beginn einer Tabledance-Nummer; es ist daher ebenso sinnlos wie ungehobelt, »Ausziehen« zu schreien. Nach der Landung wird im Charterflugzeug gewöhnlich Beifall geklatscht; das ist zwar altmodisch, aber erlaubt. Wer hingegen »Zugabe« brüllt, macht sich lächerlich... oder soll der Pilot etwa den ganzen Flug wiederholen, hm? Und das wichtigste: Gekotztes räumt man grundsätzlich selber ab. Die volle Tüte auf den Nachbartisch zu stellen, ist nicht nur unfein, sondern könnte auch den Nachbarn zum Kotzen verleiten... und zwar direkt in Ihren Schoß.
2 .
Sonne, Meer und Sand — was kann es Schöneres geben? Ich sage Ihnen, was es Schöneres gibt: eine Sandburg. Zwar weiß jeder Deutsche, wie man sie baut — das liegt in unserem Erbgut—, aber wie frustrierend ist es, wenn man sie am nächsten Morgen zerstört wiederfindet, zertreten von fremdländischen Burgenhassern. Die Lösung: Eine Fuhre Sand auf den Hotelbalkon gekarrt — und schon können Sie ungestört die schönsten Burgen errichten. Sie brauchen nicht mal dem Zimmermädchen Bescheid zu sagen — den Sand im Bett und im Badezimmer hat es ja bisher auch noch nie bemerkt.
3 .
Zum ersten Mal unterwegs nach Sylt? Und Bammel vor dem Nacktstrand? Wer könnte das besser verstehen als ich. Nähern Sie sich durch behutsame Anpassung. Wenn Sie besonders schamhaft sind und auch zu Hause nur voll bekleidet in die Badewanne steigen, versuchen Sie es zunächst mal ohne Mantel und, wenn das klappt, ohne Schuhe, und Sie werden sehen: Schon in wenigen Monaten sitzen Sie plötzlich nackt in der Wanne. Als nächstes gehen Sie dann unbekleidet in den Waschsalon — ist ja wirklich nichts dabei, denn die Leute werden denken, Sie seien arm und hätten nur eine Garnitur Unterwäsche. Jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis Sie zum ersten Mal nackt durch den Bahnhof bummeln — im Winter schützt Sie rasch eine undurchsichtige Eisschicht und im Sommer fällt das unter den anderen Verrückten dort sowieso nicht weiter auf... und damit sind Sie so weit: Schönen Urlaub auf Sylt!
4 .
Für den Fall, dass Sie mit dem eigenen Auto eine Fahrt durch England machen wollen, denken Sie unbedingt daran: Man fährt dort grundsätzlich auf der falschen Seite... außer natürlich, Sie sind Geisterfahrer — dann fahren Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben auf der richtigen!
5 .
Es ist nicht nur eine Unsitte, es ist schlechthin kriminell, Gegenstände aus dem Hotel als Souvenir mit nach Hause zu nehmen, wie zum Beispiel Handtücher, Fernseher oder das Zimmermädchen. Als Grundregel gilt: Man nimmt nur
Weitere Kostenlose Bücher