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Feuersturm: Roman (German Edition)

Feuersturm: Roman (German Edition)

Titel: Feuersturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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umwehte sie in der aufsteigenden heißen Luft. Nun drehte sie sich um, und ihr Gesicht war eine Maske des Zorns und der Furcht.
    »Verschwinde hier, Anya!« , brüllte sie.
    Hustend sah Anya an ihr vorbei zu der schrecklichen Kreatur, die vor dem Kleiderschrank stand. Sie erkannte die Konturen eines Mannes, aber da war kein Körper. Die Gestalt bestand nur aus flammenden Umrissen. Vor ihr brachte die Hitze die Luft zum Flimmern, hinter ihr schmolz die Plastikjalousie vor dem Fenster. Ein gläserner Parfümflakon auf dem Toilettentisch ihrer Mutter zerplatzte unter der Einwirkung der Hitze, als wäre auf ihn geschossen worden.
    Die Gestalt zeigte mit einem Finger auf Anya. Und sie sprach. Doch die Laute waren nicht mehr als das Zischen und Brodeln eines Feuers, verzerrt zu einer menschlichen Stimme. »Ihretwegen bin ich hier. Sie ist eine der meinen.«
    »Nein.« Anyas Mutter stand zwischen ihr und der Gestalt.
    »Du kannst sie nicht von mir fernhalten.«
    »Ich habe sie zwölf Jahre von dir ferngehalten. Ich werde es auch noch eine weitere Nacht tun.«
    Anya griff nach der Hand ihrer Mutter, und als sie an ihr herabblickte, erkannte sie, dass der Saum des Polyesternachthemds Feuer gefangen hatte. »Mom, wir müssen hier raus. Sofort!«
    Die Flammenkreatur knurrte und fauchte. »Das ist nicht Teil unserer Abmachung.«
    Anyas Mutter wandte sich der lodernden Gestalt zu. »Was kann ich dir bieten, damit du mir einen Aufschub gewährst? Damit du Gnade walten lässt?«
    Die Kreatur schüttelte den Kopf. »Keine Gnade. Aber einen Aufschub kann ich dir gewähren.«
    Tränen rannen über die Wangen ihrer Mutter. »Was willst du?«
    »Ich werde dich mitnehmen.«
    Anya zog an der Hand ihrer Mutter, aber es schien, als hätte Mom Wurzeln geschlagen wie ein Baum. Sie drehte sich um und umfasste Anyas Gesicht mit den Händen. Ihre Tränen verdampften zischend in der unfassbaren Hitze. Auf einer abstrakten Ebene wusste Anya, dass kein Mensch das überleben konnte.
    »Du musst mich gehen lassen« , sagte ihre Mutter. Ihre Züge flimmerten vor Anyas Augen.
    »Nein, das werde ich nicht tun.« Sie umklammerte die Unterarme ihrer Mutter mit ihren gepanzerten Händen. »Nicht noch einmal.«
    »Es ist nicht deine Schuld. Nichts von all dem ist deine Schuld.« Der Blick ihrer Mutter huschte zu der Kreatur, über der sich die Decke schwarz färbte. »Es ist meine.«
    »Wir müssen verdammt noch mal hier raus!«, brüllte Anya.
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf, und ihr Haar flog auf. »Nein. Eine von uns muss bleiben. Eine von uns muss bei deinem Vater bleiben.«
    Anya gaffte das Monster an. Ihr Verstand weigerte sich zu verstehen, weigerte sich, den Vorgängen weiter zu folgen.
    Sie ergriff den Arm ihrer Mutter, in der Absicht, sie sich über die Schulter zu werfen und hinauszutragen. Aber die schauerliche Männergestalt schleuderte ihr eine Wand aus Feuer entgegen, die sie quer über das Bett in die hintere Ecke des Raumes warf. Gipskarton brach in ihrem Rücken, und Anya hatte Mühe, Luft zu holen.
    Mit tränenden Augen kroch sie über das Bett. Sie konnte nicht mehr als ein Fiepen von sich geben, konnte nichts mehr sagen, als ihre Mutter mit gesenktem Haupt auf die Kreatur zuging. Und die zog ihre Mutter in ihre flammende Umarmung. Anya roch brennendes Fleisch und versengte Haare. Für einen Moment sah ihre Mutter unendlich schön aus. Ihr Haar ging in Flammen auf und umrahmte sie wie einen Engel. Feuer senkte sich wie ein Vorhang über ihren Körper, loderte hinauf bis zur Decke und fraß sich halb durch einen Dachsparren, der mit einem lauten Donnern herabstürzte.
    Der Boden barst. In eine brennende Tagesdecke gewickelt, bewegte sich Anya auf das entstandene Loch zu. Der schwelende Stoff um ihren Körper zerfiel, und sie stürzte durch die ruinierte Zimmerdecke und hinab in das Inferno des Erdgeschosses.
    Flammen umgaben sie, spülten wie Wogen über sie hinweg. Es war, als läge sie an einem tropischen Strand im flachen Wasser und fühlte die von der Sonne erhitzten Wellen über sich hinwegfluten. Sengend drang es in ihre Lunge und sie konnte es knistern und prasseln hören.
    Intellektuell verstand sie, dass sie das nicht überleben konnte. Kein Mensch konnte so etwas überleben. Aber obgleich sie die Hitze durch ihren Leib rasen spürte, erlitt sie keine Verbrennungen.
    Und wenn sie keine Verbrennungen erlitt, dann würde sie auch überleben. Ihr würde es nicht so ergehen wie ihrer Mutter.
    Sie wischte die Gipskartonbruchstücke

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