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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Gedanke, dass das Schmuckstück vermutlich zu einer Zeremonie gehörte, deren Einhaltung eine wichtige Voraussetzung war, dass er diesen Ort endlich hinter sich lassen konnte. So nahm er den schweren, mit Juwelen verzierten Goldschmuck entgegen und legte ihn sich an. Das Stück war so ausladend, dass es seine Schultern bedeckte und ihm bis auf die Brust reichte.
    Hier angekommen erblickte er einen mächtigen Fluss. Am Ufer lag auf dem dunklen Wasser ein Boot, in dem zwei Ruderer warteten. Natürlich ein Boot. Es konnte ja gar nicht anders sein.
    Das Bild weckte in Lokan eine unwillkommene Erinnerung. Eine seiner Visionen in der Todeszone war die von einemroten Fluss gewesen, den der Fährmann Charon befuhr. Mit seiner Knochenhand führte er das Ruder. Eine Menge von Seelen strömte ans Ufer auf den Kahn zu. Darunter war eine Frau, die ihm bekannt vorkam: helle Haut, dunkles Haar, blaue Augen. Eine panische Furcht hatte ihn damals erfasst, als er sie gesehen hatte. Er fürchtete nicht für sich selbst, sondern für jemand anderen.
    Der Gedanke daran brachte Lokan abrupt zum Stehen. Er versuchte, sich die Szene am Totenfluss Styx, die ihm der verwunschene Ort vorgegaukelt hatte, deutlicher vor Augen zu führen. Verdammt. Es war Bryn gewesen, die er gesehen hatte. Aber wenn Bryn in der Unterwelt war und er im Niemandsland gefangen, wer kümmerte sich dann um Dana? Wer beschützte sie?
    Lokan schüttelte den Kopf. Er musste die Ruhe bewahren, seinen Verstand gebrauchen. Auf nichts anderes konnte er sich in seiner Lage verlassen.
    Bryn war eine großartige Mutter. Aber beschützen konnte sie Dana trotzdem nicht. Nicht gegen das, was dem Mädchen drohte. Wie sollte Bryn mit einem Supernatural fertigwerden? Das war unmöglich. Außerdem war sie auf so etwas gar nicht vorbereitet. Sie wusste ja noch nicht einmal, was er in Wirklichkeit war. Lokan hatte es ihr nie verraten. Sie hielt ihn für einen Sterblichen und mutmaßte wahrscheinlich, dass er der Sohn eines Gangsterbosses war. Wenn Sutekh seine Hand tatsächlich nach Dana ausstrecken würde, würde Bryn gegen ihn so viel Chancen haben wie ein Papierschirmchen, das in einem Eisbecher steckt, gegen einen Platzregen.
    Die Frau, die er gesehen hatte, konnte nicht Bryn gewesen sein, auch wenn die Ähnlichkeit verblüffend war. Etwas an dieser Erscheinung stimmte nicht. Die Farbe ihrer Augen zum Beispiel.
    Nein, Bryn war nicht in der Unterwelt. Sie war am Leben und umsorgte ihre Tochter. So musste es sein. Er hatte sie in seiner letzten Nacht noch angerufen und ihr aufgetragen,niemandem zu trauen. Niemandem außer ausgerechnet seinen Feindinnen, den Isistöchtern. Sie waren die Einzigen, die mächtig genug waren, Dana wirklich zu helfen. Und die Einzigen, die Sutekh so sehr hassten, dass sie auch dessen Zorn nicht fürchteten, wenn sie es wagten, seine Pläne zu durchkreuzen. Als er glaubte, Bryn gesehen zu haben, konnte es nur ein Trugbild gewesen sein.
    Und das Boot mit den beiden Ruderern, das dort vor ihm am Ufer lag, war das auch ein Trugbild? Der bloße Gedanke ließ Lokan erschauern.
    Der Kahn war nicht besonders groß und so schmal, dass auf ihm höchstens eine Handvoll Leute hintereinander stehend Platz fand. Nach traditioneller Bauweise bestand der Rumpf aus Blättern der Papyrusstaude und lief zum Bug und Heck hin schmal und nach oben zusammen. Dort an beiden Enden war auch der Platz der Ruderer, die wie die anderen nur mit einem Schurz um die Lenden bekleidet waren.
    „Wohin wird das Boot mich bringen?“, fragte Lokan.
    „Dorthin, wo die zwölf Pforten beginnen“, kam die Antwort.
    „Die zwölf Pforten des Osiris?“
    Der Angesprochene nickte. „Die Pforten zum Licht der Sonne.“
    Hoffnung keimte in Lokans Verzweiflung auf wie unverhoffte junge Triebe an einem kahlen, abgestorbenen Ast. Lokan wusste, was die zwölf Pforten für eine Bedeutung hatten. Dieser Weg durch sie hindurch führte nicht bloß in die Unterwelt des Osiris, sondern weiter auf die Oberwelt, zurück zu den Menschen, zurück zu seiner Tochter. Und die beiden Seelen im Boot waren dann vermutlich seine Führer.
    Lokan spürte, wie ihm das Adrenalin in die Adern schoss. Dennoch hielt er seine Erwartungen im Zaum. Er war sich sicher, dass alles seinen Preis hatte.
    „Was brauche ich, um die Pforten passieren zu können?“, fragte er.
    „Die Reinheit deines Herzens.“
    Nicht gut. Als Seelensammler hatte er anderen das Herz aus der Brust gerissen. Er bezweifelte, dass sein eigenes dabei rein

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