Feuersuende
konnte sie sich nicht in Sicherheit wiegen.
Oh, Lokan. Verflucht, warum musstest du darauf bestehen, dich in Danas Leben einzumischen? Und wenn schon das, warum musstest du dann sterben und uns schutzlos allein lassen? Bryn seufzte. Sie war ein Walker und kein Krieger.
Aber jetzt hatte sie keine Wahl. Sie musste Krieger sein – um Danas willen.
„Das ist doch in Wirklichkeit gar kein Training, Mommy, oder?“
Bryn setzte schon an, um ihrer Tochter irgendeine Lüge zur Beruhigung aufzutischen, ließ es dann aber doch sein. Es hatte keinen Zweck. Dana kannte die Wahrheit schon.
„Wir waren gut. Wir haben einen Vorsprung herausgeholt“, flüsterte sie der Kleinen stattdessen zu. „Und du kannst ja so schnell laufen wie der Wind. Uns holt keiner ein.“ Dann fragte sie: „Hast du die Nummer im Kopf?“
Dana nickte.
Bryn hatte ihr eingeschärft, dass Dana, wann immer sievoneinander getrennt wurden und sie allein nicht weiterwusste, die Frau anrufen sollte, die schon einmal nach ihr geschickt worden war. Es war Wochen her, da hatte Bryn Lokans Anweisungen befolgt und bei der Isisgarde angerufen. Die schickte eine ausgebildete Kämpferin namens Roxy Tam, die es geschafft hatte, Dana aufzuspüren und heil wieder nach Hause zu bringen.
Auch wenn Bryn diese Frau kaum kannte, war sie doch überzeugt, dass Roxy kommen und Dana helfen würde, wenn es notwendig war. Und das nicht nur, weil sie den Auftrag bekam. Es hatte gleich so etwas wie eine Verbundenheit zwischen ihnen gegeben. Als Bryn sie gefragt hatte, wie die Aktion verlaufen war, hatte Roxy nur die Achseln gezuckt und gesagt, sie wisse genug über die dunklen Seiten des Lebens.
Bryn hatte nicht weiter nachgefragt, vermutete aber, dass Roxy eine harte Kindheit gehabt haben musste und deshalb imstande war nachzuvollziehen, was Lokans Tod und die Entführung ihrer Tochter für Bryn bedeuteten. Dennoch, obwohl sie Roxy sympathisch fand und Respekt vor ihr hatte, wollte sie nicht riskieren, sie ganz ins Vertrauen zu ziehen. Statt ihr zu offenbaren, dass sie etwas mehr war als eine gewöhnliche Sterbliche, fügte sie sich in die Rolle einer überbesorgten und leicht verhuschten Mutter. Alles andere schien Bryn zu gefährlich.
„Aber du darfst mich nicht allein lassen“, protestierte Dana heftig und machte dabei ein verzweifeltes Gesicht.
„Ich lass dich doch nicht allein, mein Baby. Ich sage das nur vorsorglich. Wenn du jemanden brauchst, rufst du Roxy an, niemanden sonst. Nur Roxy.“
Lokan hatte im letzten Telefonat, das sie geführt hatten und bei dem er sehr angespannt geklungen hatte, darauf bestanden. Lange vorher hatte er ihr schon die Telefonnummern seiner Brüder gegeben, falls sie Hilfe brauchte und er selbst nicht erreichbar war. Dabei waren sie nie bei ihnen gewesen, damit sie Dana kennenlernen konnten. Bryn war das Gefühl nie losgeworden, dass er das Mädchen von allem fernhalten wollte, wasmit seinem sonstigen Leben zusammenhing. Und das hatte sie akzeptiert.
Dann, als sie zum letzten Mal vor seinem Tod am Telefon miteinander gesprochen hatten und er ihr erklärte, dass Dana in Gefahr war, in diesem Gespräch, das Bryn so gern nachträglich rückgängig gemacht hätte, um ihm zu sagen, dass … Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle, was sie ihm hätte sagen sollen. Entscheidend war, dass Lokan eine komplette Kehrtwendung gemacht und darauf bestanden hatte, dass sie im Notfall nicht einen seiner Brüder anrufen solle, sondern einzig und allein die Isisgarde, deren Nummer er ihr gab. Er sagte, er könne seinen Brüdern nicht mehr trauen, er könne überhaupt niemandem mehr trauen. Das war merkwürdig, denn die Isisgarde zählte zu seinen Feinden, und ausgerechnet an die sollte sie sich wenden.
Trotzdem hatte Bryn darauf vertraut und tat das auch jetzt noch, wenngleich er ihr in vielem nicht die Wahrheit gesagt hatte. Nicht einmal kurz vor seinem Tod hatte er zugegeben, dass er ein Supernatural war. Er hatte so getan, als sei die Garde so etwas wie eine rivalisierende Gang, und Bryn hatte ihn in dem Glauben gelassen, dass sie ihm das abkaufte. Es schien ihm so wichtig zu sein, dass sie sofort begriff, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
Bryn hatte sich genau an seine Anweisungen gehalten. Sie hatte die Isisgarde angerufen und weder seinen Namen noch ihr Verhältnis zu ihm erwähnt, sondern lediglich um Hilfe für ihre vermisste Tochter gebeten und dabei den Namen der Isis beschworen.
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