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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Totenreich Duat .
    nach dem Ägyptischen Pfortenbuch
    B ryn bestand darauf, die Ruderer zurückzulassen und den Weg allein fortzusetzen. Nur sie beide allein. Lokan spürte kein Bedürfnis, dem zu widersprechen. Die Ruderer, die ihn bei seinem ersten Versuch hierher bis an die erste Pforte begleitet hatten, waren wahrlich keine große Hilfe gewesen. Dennoch lag ihm ihr schreckliches Ende auf dem Gewissen. Es hatte, wie er es sah, in seiner Verantwortung gelegen, sie heil durch das Tor des Osiris zu schleusen, und er hatte es nicht vermocht.
    Lokan und Versagen. Das ging nicht gut zusammen. Jeder neue Fehlschlag nagte an seinem Selbstvertrauen, und das war etwas, das er überhaupt nicht gebrauchen konnte, nicht jetzt, wo es darum ging, zusammen mit Bryn wieder in die Oberwelt zu gelangen. Nicht wenn es darum ging, seinem Vater gegenüberzutreten. Er musste darüber hinwegkommen. Nichts einfacher als das.
    Der Fluss sah genauso trügerisch ruhig aus wie beim ersten Mal, spiegelglatt und ohne jede Strömung, sodass das Boot auf der Stelle ruhte, wenn man nicht paddelte.
    „Bryn, geh auf dem Weg zurück, auf dem du hergekommen bist.“ Es war sein dritter Versuch, sie dazu zu überreden, seitdem sie das Boot bestiegen hatten. Er wollte sie nicht hier haben, nicht nachdem er erfahren hatte, was dies für ein Ort war. „Wenn irgendeiner der Unterweltgötter erfährt, wer und was du bist und dass du hier bist, werden sie hinter dir her sein.“
    „Ich hab dich doch bei mir“, erwiderte sie.
    „Und du meinst, ich kann dich beschützen?“
    Sie sah ihn mit einem unergründlichen Blick aus ihren dunklen Augen an. „Ja“, sagte sie.
    Welch unerschütterliches Vertrauen. Schade nur, dass er es nicht teilen konnte. Die Zeiten seines unerschütterlichen Selbstvertrauens waren vorbei, seitdem man ihn umgebracht hatte. Auf diese Art seine Grenzen zu erfahren war schon äußerst bitter. Über Jahrhunderte hatte er als Seelensammler niemanden fürchten müssen und war als Sohn Sutekhs, des mächtigsten Gottes der Unterwelt, so gut wie unantastbar gewesen.
    Er war Sutekhs Botschafter, hatte mit den hartnäckigsten Gegnern seines Vaters zu tun gehabt und sich Gehör verschaffen können. Er war ein guter Diplomat. Er hatte sich unbezwingbar gefühlt, und den Nervenkitzel, wenn er wieder Feindesland betrat, hatte er immer mehr als Lust denn als Frust empfunden.
    Mit Sutekh selbst hatte er verhandelt, als er in jener Nacht mit seinem eigenen Leben das Leben seiner Tochter freigekauft hatte. Nun ging es um das Leben und die Sicherheit der Mutter seiner Tochter. Und jetzt war sie es selbst, die er überzeugen musste, und sie war weiß Gott eine harte Nuss.
    „Du brauchst mir doch bloß die Richtung zu sagen und mir eine Liste mit den Namen der Pforten zu geben, die ich passieren muss. Dann komme ich schon durch“, meinte er. „Wir sehen uns oben in der Oberwelt wieder, und wenn ich zurück bin, machen wir mit Dana einen schönen Ausflug nach Disneyland.“
    Bryn tauchte das Paddel ein. Ein Mal, zwei Mal. Schließlich meinte sie: „Das kann ich nicht.“
    „Du kannst nicht oder du willst nicht?“
    „Es geht nicht.“
    Lokan unterdrückte seine Ungeduld. Sie half ihm jetzt nicht weiter. „Und warum nicht?“
    „Aus verschiedenen Gründen. Hauptsächlich deshalb, weil ich selbst den Weg nicht kenne, bis er genau vor mir liegt, und auch den Namen einer Pforte erst weiß, wenn sie vor uns auftaucht. So funktioniert das nun einmal.“
    Etwas in ihrem Ton verriet ihm, dass das nicht der entscheidende Grund war. „Du weißt also nicht, was uns hinter der nächsten Biegung erwartet? Und das Losungswort, das wiraussprechen müssen, um durch eine Pforte zu kommen, fällt dir immer erst kurz davor ein?“
    „So ist es.“
    Lokan überlegte einen Augenblick. Dann durchschaute er den Sinn, der hinter diesem System steckte. „Ich verstehe. Das ist so eine Art Schutz für dich, nicht wahr? Wenn du einmal in die Situation kommst, dass jemand dich zwingt, ihn durch das Totenreich zu geleiten, muss er dich am Leben erhalten. Er braucht dich in jedem Augenblick.“ Er merkte, wie sich ihre Schultern anspannten, als er das sagte. Warum beunruhigte es sie so, da er doch über nichts weiter sprach als über einen Mechanismus, der sie schützte? Vielleicht war sie an ihre Geheimniskrämerei schon so gewöhnt, dass jede Kleinigkeit sie wurmte, die er herausbekam. Dafür hatte er sogar ein gewisses Verständnis.
    Bryn sagte nichts mehr, und das

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