Feuersuende
entdecktest?“
Sie lachte leise. „Ich war ein Spätentwickler. Diese Talente kamen erst ein paar Jahre, bevor wir uns getroffen haben, zutage. Boone hat mir das ziemlich knapp und trocken erklärt. Er hat mir nur gesagt, was ich bin und was meine Brüder von mir erwarteten.“
Lokan ließ eine Strähne ihres Haars durch seine Finger gleiten und wiederholte es wieder und wieder. „Deine Brüder … Genau die, denen du meine Tochter überlassen hast.“
Bittere Worte. Aber sein Ton klang nicht bitter. Es lag keine Spur von Vorwurf in seiner Stimme, sodass sie sicher war, dass er wusste, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte. Dass er der Sache skeptisch gegenüberstand, machte sie ihm nicht zum Vorwurf. Er machte sich Sorgen, und sie wusste es zu schätzen, dass er sie deswegen nicht angriff. Sie hatte es auch nicht anderserwartet, denn das war der Lokan, den sie gekannt hatte, bevor man ihn tötete.
„Ja, genau die“, antwortete sie. „Ich allein kann Dana nicht beschützen. Nicht vor deinem Vater, aber auch nicht vor irgendeiner anderen Gottheit, die von ihr inzwischen vielleicht Wind bekommen hat. Meine Brüder können es. Wenigstens so lange, bis du zurückkehrst. Und du wirst sie von deinem Vater fernhalten.“
„… und so werden wir glücklich leben bis ans Ende unsere Tage.“
Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an. „Lokan …“
„Ich werde sie daraus befreien.“ Er sagte das mit vollster Überzeugung. Wieder glitt ihr Haar durch seine Finger. „Ist es das, was du gewollt hast? Dich befreien?“
„So schlimm war es nicht, Lokan. Aber ich musste das Leben hinter mir lassen, das sie für mich vorgesehen hatten. Ich musste dieser ständigen Kontrolle entfliehen. Frei sein – um zu leben .“
„Ja? Und hat es bei dir geklappt?“ Das kurze, trockene Auflachen, das diese Worte begleitete, brachte sie auf die Frage, ob er dabei vielleicht an sein eigenes Leben dachte. Soviel sie wusste, waren die Seelensammler unabhängig von allen Freiheiten, die sie sonst genossen, und der Macht, die sie besaßen, vollständig von Sutekh abhängig.
„Nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte.“ Sie suchte nach den richtigen Worten, aber wie auch immer sie es auszudrücken versuchte, es klang grauenvoll. Weil es auch wirklich grauenvoll war. Was sie für Pläne geschmiedet hatte, was sie getan hatte – sie hatte es gründlich vermurkst. Sie war ein junges, rebellisches Mädchen gewesen, und wie andere junge, rebellische Mädchen hatte sie Mist gebaut. Nur dass die anderen jungen Mädchen einfach nur jung und naiv waren und keine übernatürlichen Zeitbomben.
„Bryn, erzähl weiter.“
„Das ist keine schöne Geschichte.“ Sie zögerte. „Sie lässt mich nicht gerade im besten Licht erscheinen.“
Er lehnte leicht das Kinn an ihren Kopf. Sie schloss die Augen und wünschte, er würde … Dann richtete er sich wieder auf, tauchte das Paddel ein und sagte: „Erzähl sie mir trotzdem.“
„Meine Mutter habe ich nie kennengelernt. Sie ging fort, sobald ich auf die Welt gekommen war.“
„Sie war ein Supernatural, ein Walker, oder?“
„Ja.“ Nein, das war zu bitter. Sollte sie jetzt wirklich in allen Einzelheiten jeden Fehltritt, jede ihrer Fehlentscheidungen offenbaren und die ganze hässliche Wahrheit hervorkramen? Aber wenn sie es nicht tat, kehrte er unvorbereitet zurück, und Dana hätte darunter zu leiden. „Meine Brüder haben mich aufgezogen.“
„Und dein Vater?“
Oh nein, nicht auch noch das. Dieses Fass wollte sie nicht auch noch aufmachen. „Trat nicht in Erscheinung“, beschied sie kurz.
„Du hast mal gesagt, deine Brüder seien ein ganzes Stück älter als du.“
„Rund fünfundsiebzig Jahre.“
Er schwieg für einen Augenblick. „Ich habe ihnen das Leben gerettet. Wusstest du das?“
„Nein – das heißt, doch. Aber bis vor Kurzem hatte ich keine Ahnung davon. Boone hat mir von dem Zugunglück berichtet, kurz bevor ich hierherkam.“
„Du warst damals noch gar nicht geboren.“
Sie lachte. „Nein. Ich bin wirklich siebenundzwanzig und nicht hundert. Weißt du, als ich noch klein war, ist mir nie aufgefallen, dass etwas in meinem Leben oder mit meinen Brüdern nicht stimmte. Sie haben Kindermädchen engagiert und etliche Bodyguards. Ich dachte immer, die wären dazu da, mich vor den Feinden meiner Brüder zu beschützen. Vor sterblichen Feinden. So war es auch. Aber sie waren auch dazu da, mich vor Supernaturals zu beschützen.“
Sie hatte die Wange
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