Feuertanz
anderen Arzneimitteln?«, fuhr Irene unerschrocken fort.
»Diazepam ist beispielsweise in Stesolid enthalten. Es dämpft Angstzustände und ist krampflösend. Dextroproxifen ist in verschiedenen analgetischen Kombinationspräparaten enthalten, also in Schmerzmitteln.«
»Ist es schwer, diese Arzneimittel zu beschaffen?«, wollte Irene wissen.
»Abgesehen von dem Dextroproxifen unterliegen sie dem Betäubungsmittelgesetz. Aber auch Dextroproxifen ist rezeptpflichtig. Wahrscheinlich hatten diejenigen, die sie gefangen hielten, die Präparate gestohlen. Ich würde vorschlagen, die Arzneimitteldiebstähle der letzten Zeit durchzugehen.«
Yvonne Stridner drehte sich um und nahm ihr Pelzjäckchen von der Stuhllehne. Sie zog es über und meinte: »Noch weitere Fragen? Nicht? Ich lasse von mir hören, falls sich noch etwas ergibt.« Sie verschwand durch die Tür, und die letzten Worte verhallten auf dem Gang.
Nach dem Abgang der Professorin war es erst einmal still. Schließlich sagte Andersson langsam und mit Nachdruck: »Pfui Teufel! Dieses Schwein knöpfen wir uns vor!«
Irene pflichtete ihm von ganzem Herzen bei.
Der Kommissar nahm sich zusammen und sagte: »Wir gehen so vor, wie gestern besprochen.«
Irene rief beim Borgstens Förlag in Stockholm an und bekam den Verleger Viktor Borgsten persönlich an den Apparat. Er besaß eine angenehme Stimme und wirkte sympathisch.
»Leider habe ich keine neuen Informationen über diese eine Nacht während der Buchmesse. Wir hatten ziemlich gefeiert, weil wir den Deal mit Hollywood über die drei letzten Bücher Max Frankes endlich abgeschlossen hatten. Das wird ein Riesending, und einer der bekanntesten amerikanischen Regisseure wird den Film drehen. Kurz und gut, wir hatten allen Grund zum Feiern.«
»Das verstehe ich. Aber ich rufe an, weil ich mit Max Franke sprechen müsste. Sophie und er waren schließlich verwandt, und wir benötigen mehr Informationen über die Familie.«
Sie drückte sich absichtlich undeutlich und vage aus, weil sie sich eigentlich gar nicht sicher war, was sie mit ihrer Kontaktaufnahme zu Franke bezweckte. Sie folgte einfach einer Eingebung. Der Verleger gab ihr eine Mailadresse und diverse Telefonnummern und Adressen des Schriftstellers. In Schweden besaß er zwei Adressen, eine in Stockholm und eine auf Gotland, und außerdem noch eine in der Provence.
Irene versuchte es zuerst telefonisch in Stockholm und hatte Glück. Nachdem sie es ein paar Mal hatte klingeln lassen, hob er ab. Irene nannte ihren Namen und begann vorsichtig: »Sie wurden im Zusammenhang mit der Vermisstenanzeige Sophies vernommen. Wir haben natürlich auch mit den anderen gesprochen, die sich im Park aufhielten. Jemand meinte, Sie hätten Sophie mit den Worten ›Sei gegrüßt, mein kleiner Hase‹ begrüßt. Was haben Sie eigentlich genau gesagt?«
Am anderen Ende wurde es still, und Irene befürchtete schon, er würde auflegen. Nach einer Weile meinte er: »Ich wollte gerade sagen, das sei das Dümmste, was ich je gehört hätte, aber … ich könnte tatsächlich gesagt haben ›Sei gegrüßt, meine kleine Base‹. Das habe ich früher manchmal aus Spaß zu Sophie gesagt.«
»Kleine Base?«
»Ja, das ist so ein altmodischer Ausdruck. Sie ist … war weitläufig mit mir verwandt. Ernst und ich waren Cousins. Unsere Mütter waren Schwestern. Zwillingsschwestern sogar.«
Irene dachte angestrengt darüber nach, wie sie so viel wie möglich über Ernst und Sophie Malmborg in Erfahrung bringen konnte. Sie hatte keine Zeit, um nach Stockholm zu fahren und Max Franke zu treffen. Und auch kein Geld, wenn man Sven Andersson fragte. Was sollte sie tun? Eine Idee nahm in ihrem Kopf Gestalt an, und sie sagte: »Wie Sie wissen, verbrannte Sophie. Das hat uns dazu veranlasst, erneut den Versuch zu unternehmen, herauszufinden, was sich in jener Nacht zutrug, als Magnus Eriksson in den Flammen umkam. Es könnte ein bloßer Zufall sein, dass Sophies Mörder sie verbrannt hat, aber wir können nicht ausschließen, dass ein Zusammenhang besteht. Deswegen müssen wir fünfzehn Jahre zurückgehen und herausfinden, was damals eigentlich geschehen ist. Vielleicht müssen wir uns zeitlich noch weiter zurückbegeben. Kurz gesagt bräuchten wir jemanden, der damals das Geschehen verfolgt hat und alle Beteiligten kannte.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Alles.«
»Alles?«
»Ja. Selbst die kleinste Information, die auf den ersten Blick unwichtig erscheint, kann zu einem späteren
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