Feuertaufe für Darlene
hören. Du spuckst die Kohle aus. Sofort. Und weil es in deiner Bude zu Scherereien kam, versteht es sich doch wohl von selbst, dass du deswegen mehr als das Übliche blechst. Ich finde, das Doppelte ist in diesem speziellen Fall mehr als angebracht. Oder siehst du das etwa anders?«
Hancocks Antwort beschränkte sich auf ein kurzes Kopfschütteln. Gleichzeitig begannen sich in seinem Kopf die Gedanken zu überschlagen. Er steckte in der Klemme wie noch niemals zuvor in seinem Leben. Es war äußerst wahrscheinlich gewesen, dass die Spiders früher oder später wieder in seinem Laden auftauchen würden. Doch dass das so schnell der Fall sein würde, damit hatte er nicht gerechnet. Das Geld, das sie von ihm verlangten, hatte er noch immer nicht besorgt. Erst recht nicht die Summe, die sie ihm nun abknöpfen wollten. Das würde den Banditen bestimmt nicht schmecken. Wie sauer sie reagieren konnten, wenn sie ihre Kohle nicht bekamen, hatten sie erst am Abend zuvor bewiesen.
Doch diesmal war die Lage noch schlimmer.
Die Halunken waren nicht zu zweit, sondern fünf Mann hoch bei ihm aufgetaucht.
Und dass ihm diesmal wieder ein Retter wie aus heiterem Himmel beistehen würde, war nicht zu erwarten.
Mit anderen Worten: Mit den Spiders als Gegner hing sein Leben sprichwörtlich am seidenen Faden.
»Was ist nun?« Jackman trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf den Tresen. »Wie lange willst du uns denn noch warten lassen?«
Hancock hob langsam den Kopf.
Erst jetzt fiel ihm auf, wie dicht die Banditen beieinander standen.
In diesem Moment zuckte ihm ein Geistesblitz durchs Gehirn.
Der Plan, der dort in Sekundenbruchteilen entstanden war, war mehr als tollkühn. Aber er bedeutete auch die einzige, winzige Chance, vielleicht doch noch lebend aus der Sache herauszukommen. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen und darauf zu hoffen, dass das Schicksal es gut mit ihm meinte.
»Einen Augenblick … ich habe das Geld nicht in der Kasse, sondern in einer Stahlkassette, an die nur ich rankomme.«
»Habt ihr das gehört, Männer?« Durch Jackmans Visage schnitt sich ein gehässiges Grinsen. »Ganz schön clever, der Junge. Verstaut den Zaster an einem sicheren Ort. Damit der Kohle nichts passiert – bis wir sie uns in die Taschen stecken.«
Seine vier Begleiter begannen hämisch zu lachen.
Hancock kümmerte sich nicht um den Spott, der auf seine Kosten getrieben wurde.
Er bückte sich unter die Theke.
Seine Finger legten sich an die abgesägte Schrotflinte, die dort in einer Halterung hing.
Wenn er es geschickt anstellte und in die Mitte der Verbrecher feuerte, wäre die Streuung der Geschosse eventuell breit genug, um seine Gegner vielleicht nicht zu töten, aber immerhin solange außer Gefecht zu setzen, bis er sie mit weiteren Salven endgültig zur Hölle gejagt hatte.
Hancock schickte ein stummes Gebet zum Himmel.
Nach einer letzten Sekunde der Konzentration riss er die Waffe aus der Haltekonstruktion, dann schnellte er kerzengerade in die Höhe.
Richfield, der jede seiner Bewegungen misstrauisch verfolgt hatte, begriff sofort, was der Saloonbesitzer vorhatte.
»Runter!«, brüllte er seinen Komplizen zu. »Der Mistkerl hat ne Knarre!« Mit einem waghalsigen Sprung warf er sich über die Theke.
Genau in dem Augenblick, als sich Hancocks Zeigefinger am Abzug krümmte, schlug der Bandit den verkürzten Lauf der Flinte nach oben.
Ein infernalisches Krachen brachte die Luft im Saloon zum Vibrieren.
Die tiefsten Kugeln rasten dicht über Richfield hinweg und fegten Jackman, auf den die Waffe gerichtet gewesen war, den Hut vom Schädel. Der Banditenboss kippte nach hinten.
Die restlichen Geschosse jagten im steilen Winkel nach oben. Die meisten von ihnen blieben in der hölzernen Kneipendecke stecken. Andere prallten funkensprühend von den Metallketten des wagenradförmigen Kandelabers ab.
Carson, O’Leary und Petralia brauchten nur wenige Sekunden, um sich von ihrem ersten Schrecken zu erholen. Bereits einen Atemzug später hielt jeder von ihnen seinen Revolver in der Hand.
Ein Stakkato von Schüssen setzte ein.
Hancocks Oberkörper wurde von den aus nächster Nähe abgefeuerten Geschossen regelrecht durchsiebt.
Die Wucht der Treffer schleuderte den Saloonbesitzer nach hinten. Er krachte in ein Regal voller Flaschen. Das Gestell brach gemeinsam mit ihm in sich zusammen. Seine Leiche blieb mit ausgebreiteten Armen zwischen den Trümmerstücken am Boden liegen.
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