Feuerteufel: Roman (German Edition)
dem Tisch lagen ihr Tagebuch und ein Kugelschreiber.
Als sie ihn kommen hörte, sah sie auf. Jetzt konnte er ihre Nase und das Kinn sehen, aber die Augen waren immer noch in der Dunkelheit verborgen.
Das Ledersofa knarrte ein wenig, als Kjell-Ove sich neben sie setzte. Er war nicht gewohnt, sie anzufassen, doch nun legte er die Hand auf ihr Bein. Der Stoff fühlte sich kühl, fast feucht an.
»Warst du draußen?«, fragte er.
Cecilia schüttelte den Kopf und atmete in kleinen, kurzen Stößen.
»Was denkst du?«, fragte er nach einer Weile, als sie sich etwas beruhigt hatte.
»Warum gerade ich?«, fragte sie. »Was habe ich getan, dass ich es verdient habe, jetzt zu sterben.«
»Kaum jemand hat verdient zu sterben, oder?«
Cecilia antwortete nicht. Ein Seufzer schüttelte sie. Sie saß in der verkrampften Stellung da und ließ den Tränen freien Lauf.
Kjell-Ove nahm die Hand von ihrem Bein und begann, ihren Rücken zu streicheln.
»Manche finden, dass ich es v-v-verdient habe zu sterben«, sagte sie. »Findest du das auch?«
Das Handy von Hannes vibrierte unter einem T-Shirt auf dem Fußboden neben seinem Bett, als Petra anrief. Seine Sneakers standen nicht im Flur, und das Fahrrad war weg. Wohin in aller Welt war er gefahren? Mitten in der Nacht.
Petra hatte sich an den Küchentisch gesetzt und aus dem Fenster gesehen. Eigentlich hätte sie am liebsten Lasse geweckt, beschloss aber zu warten. Es war schon hell, die Sonne ging hinter dem Berg auf.
Sollte sie das Auto nehmen und nach ihm suchen? Aber wo sollte sie anfangen? Mit dem Fahrrad kam man weit.
Der Zeitungsjunge hatte eben die Zeitungen in ihren Briefkasten gesteckt, als Petra sah, wie Hannes angefahren kam. Sie stand auf und ging in den Flur.
»Und wo bist du gewesen?«, fragte sie, sowie Hannes die Eingangstür aufgemacht hatte.
Er blieb abrupt stehen und starrte sie an.
»Was machst du denn mitten in der Nacht?«, fragte sie weiter und hörte, wie ihre Stimme dabei ins Falsett fiel.
Hannes kam rein und machte die Tür zu. Dann sah er sie an und lächelte.
»Nur die Ruhe. Ich konnte einfach nicht schlafen, also habe ich eine Runde gedreht.«
»Eine Runde? Du warst fast die ganze Nacht weg! Das kannst du nicht einfach so machen, das ist doch klar!«
»Mama, jetzt sei mal nicht so hysterisch. Was sollte denn passieren?«, fragte er immer noch lächelnd.
Er benimmt sich, als ob er der Erwachsene wäre und ich das Kind.
Meist gelang es ihm spielend, ihre Wut verfliegen zu lassen, oft sogar viel zu leicht, aber diesmal funktionierte das nicht. Ihr Puls hämmerte immer noch hart.
»Ist es ein Mädchen?«, fragte sie.
»Ein Mädchen?«
Hannes hörte auf zu lächeln und wurde blutrot im Gesicht.
»Wenn das so ist, dann finde ich, du kannst sie ruhig mitbringen. Deshalb musst du nicht mitten in der Nacht wegrennen. Papa und ich benehmen uns schon, wenn’s drauf ankommt.«
Hannes kickte seine Schuhe mit dem Fuß zur Seite.
»Es ist kein Mädchen«, sagte er.
»Ach so, na gut. Aber ich will nicht, dass du so was machst. Ist das klar?«
»Und was passiert sonst?«, fragte Hannes. »Rufst du dann die Polizei, oder was?«
»Wie geht es Ihnen seit dem letzten Mal?«
»Super.«
»Das sieht nicht ganz so aus.«
»Nein. Fühlt es sich besser an, wenn ich sage, dass alles scheiße war?«
»Voriges Mal haben Sie erzählt, dass Sie keine Zukunftsträume haben. Haben Sie immer noch dieses Gefühl?«
»Ja.«
»Denken Sie manchmal, dass Sie sich umbringen wollen?«
»Die Frage ist unmöglich zu beantworten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Was ich auch antworte, muss eine Lüge sein. Sage ich ›nein‹, dann ist das in jedem Fall gelogen. Natürlich denke ich hin und wieder an Selbstmord. Aber wenn ich ›ja‹ sage, ist das auch eine Lüge. Denn wenn ich mir wirklich richtig das Leben nehmen wollte, dann würde ich schließlich nicht hier sitzen, oder? Dann würde ich mich einfach ersäufen.«
»Es scheint, als hätten Sie ziemlich viel darüber nachgedacht, also, über diese Frage.«
»Sehr viel.«
»Das heißt, Sie haben im Moment keine konkreten Pläne, aber Sie sehen den Tod als einen möglichen Ausweg.«
»Ja, natürlich. Die Welt wäre besser, wenn es mich nicht gäbe.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich bringe hier überhaupt nichts zustande. Absolut nichts. Niemand braucht mich. Ich bin nur lästig, nehme unnötig Platz ein.«
»Sie sind nur lästig?«
»Meine Mutter macht nichts anderes, als darüber nachzudenken, wie es mit mir
Weitere Kostenlose Bücher