Feuertochter: Roman (German Edition)
Teil:
Schicksalswende
1.
H underte Meilen von Irland entfernt stand Franz von Kirchberg in der Kapelle seines Schlosses und starrte verzweifelt auf die beiden Särge, die vor ihm standen. Sein Herz schlug hart, und er ballte in hilflosem Zorn die Fäuste. Dann aber senkte er das Haupt und beugte das Knie vor dem Altar, den eine in Rot, Gold und Blau gehaltene Mater dolorosa krönte.
»Gegrüßet seist du Maria voll der Gnade …«, begann er das Gebet, das sein von Trauer erfülltes Herz erleichtern und ihm neue Hoffnung schenken sollte. Doch der Verlust, den er zu tragen hatte, wog zu schwer für diesen Trost. Als er schließlich sein »Amen« gesprochen hatte, erhob er sich und verließ die Kapelle. Erst als er nach draußen trat, bemerkte er, wie kalt es drinnen gewesen war.
So kalt wie mein Herz, dachte er und blieb einen Augenblick stehen, um die Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. Doch die Kälte in ihm konnten auch sie nicht vertreiben. Mit schmerzerfüllter Miene ging er weiter und betrat das Schloss. Den Lakaien, der ihm rasch öffnete, bemerkte er nicht. Er stieg die Treppe empor und wandte sich einer Kammer zu. Bevor er sie erreichte, wurde die Tür geöffnet, und seine Gemahlin trat heraus. Irmberga von Kirchberg war nie eine Schönheit gewesen, aber eine ansehnliche, stattliche Frau. Doch nun hatten Kummer und Leid ihre Gestalt gebeugt und tiefe Furchen in ihr Gesicht gegraben. Als sie ihren Mann sah, hob sie die rechte Hand, als wolle sie ihn aufhalten.
»Was ist mit dem Jungen?«, fragte Franz von Kirchberg voller Angst.
»Der Arzt sagt, dass nur noch ein Wunder ihn retten könne. Er selbst sei mit seiner Kunst am Ende. Wenn die himmlischen Mächte nicht eingreifen, wird unser Enkel diese Nacht nicht überleben.«
»Herrgott, warum strafst du uns so!« Franz von Kirchberg lehnte sich gegen die Wand und hieb verzweifelt mit der Faust gegen das Mauerwerk. Tränen trübten seinen Blick, während er mit Gott und allen Heiligen im Himmel haderte.
»Sie befanden sich doch auf einer Wallfahrt zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria. Wie konnte unser Herrgott nur zulassen, dass sie auf diesem segensreichen Weg erkrankten? Das Weib musste unser Sohn bereits in Altötting begraben, er selbst und sein ältester Sohn starben kurz nach ihrer Rückkehr, und jetzt nimmt Gott uns auch noch den letzten Enkel.«
Irmberga von Kirchberg sah ihren Gemahl an und wusste nicht, wie sie ihn trösten konnte. Ihr selbst zerschnitt der Verlust des einzigen Sohnes und ihrer Enkel das Herz. Doch sie sagte sich, dass das Leben irgendwie weitergehen müsse. Mit einem traurigen Lächeln trat sie zu ihrem Mann und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Ich bitte dich, mein Lieber, verzweifle nicht! Wohl prüft unser Herr im Himmel uns schwer, doch wir müssen fest im Glauben sein und auf ihn vertrauen. Sollte es Gott, dem Allmächtigen, gefallen, auch noch unseren jüngsten Enkel zu sich zu nehmen, so ist doch nicht alle Hoffnung verloren. Denke an Ferdinand! Als Sohn deines Bruders und meiner Schwester ist er für uns fast wie ein eigenes Kind.«
»Ich mag den Jungen sehr. Doch sollte ich ihn zum Erben meines Besitzes einsetzen, wird Simon auf seinem Anrecht als Sohn meines nächstjüngeren Bruders bestehen. Aufgrund der Familiengesetze derer von Kirchberg könnte er das Erbe sogar zugesprochen bekommen.«
Franz klang düster, denn wenn schon ein Neffe sein Erbe sein musste, so sollte es Ferdinand sein und nicht Simon. Doch er sah keinen Weg dorthin.
Seine Frau ergab sich weniger der Mutlosigkeit als er und sah ihn auffordernd an. »Ich habe mir die Erbgesetze der Familie ebenfalls angesehen. Doch die sind nicht in Stein gemeißelt! Es gibt Präzedenzfälle. Mit Erlaubnis Seiner Durchlaucht des Herzogs vermochten bereits zwei Herren auf Kirchberg einen ihnen genehmen Erben durchzusetzen, obwohl andere den Familiengesetzen zufolge ein höheres Anrecht besaßen. Darauf solltest du dich berufen.«
Franz von Kirchberg nickte nachdenklich. »Sollte unser Enkel sterben, werde ich nach seiner Beisetzung nach München reiten und Herzog Maximilian darum bitten, dass ich Ferdinand als Erben einsetzen kann. Es ist allerdings bedauerlich, dass der Junge nicht hier ist. Er wäre uns eine große Stütze in dieser schweren Zeit.«
»Das beklage ich auch.« Irmberga von Kirchberg seufzte und schüttelte dann den Kopf. »Du hättest Simon nicht erlauben dürfen, Ferdinand mitzunehmen. Ich mache mir solche Sorgen um unseren jüngeren
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