Feuertochter: Roman (German Edition)
rebellieren, hätten sich in dem Augenblick ergeben, in dem mit Hugh O’Neill das Haupt des Aufstands bezwungen worden ist. Ich habe Essex mit klaren Befehlen versehen und ihm in meinen Briefen dringend angeraten, diese auch zu befolgen. Doch der Herr hat sich nicht darum gekümmert.«
Betretenes Schweigen folgte. Bislang hatte die Königin das Wort vermieden, welches für Essex’ Schicksal entscheidend gewesen wäre, nämlich Hochverrat. Obwohl Essex mit seiner Anmaßung etliche der Herren vor den Kopf gestoßen hatte, wollte keiner derjenige sein, der dieses Wort als Erster aussprach. Robert Cecil fuhr sich mit der Zunge kurz über die Lippen, um diese zu befeuchten, und hob dann die Hand. »Ich bitte Euer Majestät, sprechen zu dürfen.«
»Seit wann braucht Ihr dazu meine Erlaubnis?«, fragte Elisabeth mit leichtem Spott.
»Ruft Essex zurück, ernennt ihn zum ersten Edelmann Englands, lasst ihn Sonette schreiben und Euch auf der Laute vorspielen, aber übertragt anderen Männern die Aufgabe, Eure Feinde niederzuwerfen.«
Der Rat war weise, das wusste Elisabeth nur allzu gut. Doch ebenso war ihr klar, dass Essex sich niemals mit einer zeremoniellen Rolle an ihrem Hof zufriedengeben würde. Daher schüttelte sie den Kopf.
»Nein, Sir! Ich hole den Earl of Essex nicht aus Irland zurück, sondern erteile ihm den strengsten Befehl, die Insel nicht eher zu verlassen, bis er die Rebellion niedergeschlagen hat. Er verfügt noch immer über ein großes Heer und über Offiziere, auf deren Ratschläge er hören sollte.«
Elisabeth musterte jeden einzelnen der Räte, von denen sie wusste, dass sie Essex’ Parteigänger waren, und deutete auf sie. »Schreibt ihm das! Und schreibt ihm auch, ich wünsche, dass er ungesäumt gegen den Rebellen O’Néill of Tyrone vorgeht. Zu diesem Zweck habe ich ihm das größte Heer gegeben, das England je verlassen hat. Er soll nicht wagen, es in Schande in die Heimat zurückzuführen.«
Niemand widersprach. Einige Herren atmeten sogar auf, denn Elisabeths Unmut über die Lage in Irland war in den letzten Wochen immer größer geworden. Die Königin selbst fragte sich, ob sie diesen Befehl jetzt aus Feigheit gegeben hatte, um sich nicht nach Essex’ Rückkehr seine Ausreden anhören zu müssen, in denen nicht er, sondern andere an seinem Scheitern die Schuld trügen. Doch sie hoffte immer noch, Essex würde angesichts seiner Lage endlich die Entschlossenheit aufbringen, die notwendig war, um einen Feind wie Hugh O’Neill zu schlagen. Nicht zum ersten Mal bedauerte sie, dass der Ire nicht bereit war, sich englischen Gesetzen zu beugen und wenigstens nach außen hin so zu tun, als würde er vom katholischen Glauben lassen und die in England gebräuchliche Religion annehmen. Doch wie die meisten Iren war er ein Starrkopf, der nicht einsehen wollte, wo seine Grenzen lagen.
Da bemerkte sie, dass ihre Berater sie noch immer anstarrten, und machte eine Handbewegung, als wolle sie ein Insekt verscheuchen. »Was steht ihr alle noch herum? Ich sagte doch, ihr sollt dem Earl of Essex schreiben und ihm mitteilen, dass er meinem Missfallen nur entgehen kann, wenn er als Sieger über Irland in London einreitet!«
Sie fand es nachgerade lächerlich, wie die sonst so gemessen auftretenden Herren in aller Eile den Raum verließen. Selbst Robert Cecil entfernte sich mit einer Verbeugung und schien seiner Miene zufolge nicht so recht zu wissen, was er von dem Earl of Essex und dessen Verhalten in Irland halten sollte.
Auch sie selbst würde Essex einen Brief schreiben und ihm deutlich erklären, was sie von ihm erwartete. Eine weitere Enttäuschung würde sie ihm nicht verzeihen. Bei dem Gedanken traten Elisabeth die Tränen in die Augen. Sie hatte Robert Devereux geliebt wie einen Sohn und gehofft, er würde sich als solcher erweisen. Doch diese Hoffnung schwand, und sie fühlte, wie es in ihrem Herzen kalt zu werden begann.
»Bitte, Robin, enttäusche mich nicht noch einmal«, flüsterte sie, wischte sich die Tränen aus den Augen und betrat mit versteinerter Miene ihre Privatgemächer.
Sofort kamen ihre Kammerfrauen auf sie zu und knicksten. Elisabeth blickte über sie hinweg und wies auf ihr Schreibpult. »Bringt mir Papier, Tintenfass und Feder, aber rasch!«
Die Damen flatterten zwar wie aufgescheuchte Hennen umher, brachten aber das Gewünschte, und kurz darauf hielt die Königin eine Feder in der Hand und überlegte, wie sie dem Earl of Essex schreiben sollte. Es sollte fest klingen
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