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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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schwarz vor unterdrückten Gefühlen. »Er wäre dort in Sicherheit«, sagte er, was ganz und gar keine Antwort war.
    »Es gibt keinen Grund zu glauben, dass er hier nicht in Sicherheit wäre, oder?«
    Dylan schwieg.
    Ihr Herz trommelte wild. »Oder?«
    Sein Gesicht war verschlossen. »Ich bin dafür verantwortlich, dich zu beschützen. Dich und dein Kind. Deine Kinder«, korrigierte er sich, bevor sie es tun konnte.
    Bedauern quoll in ihrem Herzen auf wie Blut. Dass er Nick nun berücksichtigte, genügte ihr nicht. Er hatte »zu beschützen« gesagt, nicht »zu lieben«. Er liebte sie nicht. Das konnte sie nicht von ihm erwarten. Wenn er es täte …
    Es würde keinen großen Unterschied machen. Auch sie hatte ihre Prioritäten.
    Wenigstens war er da. Das war mehr, als Alain jemals zu bieten gehabt hatte.
    Regina reckte das Kinn vor. »Dann lass dir etwas einfallen, wie du uns hier beschützen kannst. Weil wir nämlich bleiben.«
     
    Die Frau war einfach unmöglich.
    Was sie von ihm verlangte, war … unmöglich.
    Dylan starrte sie wütend an, während sie den Hügel hinaufstapfte. Die ihr eigene Anmut wurde durch die gazeumwickelten Zehen beeinträchtigt. Das Band aus blauen Flecken schwebte deutlich sichtbar über dem Ausschnitt ihres Tanktops. Ihre Augen waren umschattet und angestrengt. Aber nichts schien sie lange bremsen zu können.
    Tapferes Mädchen. Sie hatte mehr Mut als die meisten Männer, so viel Lebenshunger wie ein Selkie, mehr Seelenstärke und Sturheit als … nun ja, als jeder, den er kannte.
    Aber sie war trotzdem nur ein Mensch. Sie konnte sterben.
    Angst und Bewunderung ballten sich zu einem heißen, festen Knoten in Dylans Magen zusammen. »Du hast ein rührendes, wenn auch unangebrachtes Vertrauen in meine Fähigkeiten, dich zu retten.«
    Sie drehte sich zu ihm. Die Sonne schimmerte in ihrem dunklen Haar und erwärmte ihre elfenbeinfarbene Haut zu Gold. »Du hast mich doch gerettet.«
    »Da hatte ich es aber nicht mit einem Dämon zu tun.«
    »Angst?« Ihr Tonfall war neckend, doch ihre Augen meinten es tödlich ernst.
    Ja, er hatte Angst. Angst, sie zu enttäuschen, Angst, sie zu verlieren. Er ballte die Hände zu Fäusten.
    »Ich bin nicht … dafür ausgebildet«, brachte er mit Mühe heraus. »Du brauchst jemanden …«
Der besser ist. Stärker.
»Jemand anderen.«
    »Das glaube ich nicht.« Sie gingen weiter, an Gärten vorbei, die von Taglilien gesäumt waren, und Höfen voller rostiger Autos und Hummerfallen. »Zumindest bist du ja auch irgendwie an dieser Sache beteiligt.«
    Beteiligt?
Er starrte sie ungläubig an. So nannte sie also diese unerträgliche Last der Verantwortung, dieses gequälte Bewusstsein, mit all seinen Wünschen, Unzulänglichkeiten, Fehlern enttarnt zu sein …
    »Es muss doch jemanden geben, den du um Rat fragen kannst«, redete sie weiter, offenbar ohne den Sturm zu bemerken, der in ihm tobte.
    Er zwang sich, sich auf ihre Worte zu konzentrieren und die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. »Ja, es gibt jemanden«, bestätigte er. »Den Prinzen.«
    »Ihr habt einen
Prinzen
? Natürlich habt ihr einen«, beantwortete sie sich ihre eigene Frage. »Weil das hier ja noch nicht aberwitzig genug ist.«
    Er wünschte, er wüsste, wie er sie beruhigen könnte.
    »Conn ap Llyr, Herr von Sanctuary, Prinz des Mervolks. Er hat mich unter seine Fittiche genommen, als meine Mutter starb.«
    »Wie ein … Vater?«
    Dylan rief sich das Bild des unnahbaren, undurchschaubaren Selkie-Herrschers ins Gedächtnis, der isoliert in seinem Turm auf Caer Subai lebte. »Ich hatte nie das Bedürfnis, ihn ›Daddy‹ zu nennen«, bekannte er.
    Regina sah ihn einen Augenblick lang an. Etwas flackerte in seinen Augen auf, eine Empfindung, bei der er sich unter Schmerzen wand, eine Anteilnahme, die alte Wunden und halb verheilte Narben wieder aufriss. Er erstarrte vor Abwehr. Er war nicht mehr der vierzehnjährige Junge, der um seine Mutter weinte. Er war ein Selkie. Er brauchte ihr
Mitleid
nicht.
    Aber alles, was sie sagte, war: »Ich kann es dir nicht verübeln. Meiner hat uns verlassen, als ich drei Jahre alt war.« Er meinte, ein Seufzen zu hören. »Muss eine Familientradition sein.«
    Als wenn er sie verlassen würde.
    Er hatte es vorgehabt. Aber …
    »Wirklich?«, hörte er sich selbst fragen. In Erwartung ihrer Antwort hielt er den Atem an.
    Sie lächelte schief. »Ich schätze, das werden wir herausfinden.«
    Seltsamerweise ärgerte er sich. Er brauchte ihr Mitgefühl nicht. Aber

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