Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
die von ihrem langen Lauf schwer atmeten, bildeten instinktiv eine schützende Barriere vor der Kutsche, als könnten sie einen Angriff abwehren, wenn sie sich zwischen den Oktomaten und ihre Königin stellten.
Verzweifelt blickte sich Alexia um. Sie war von Feinden umringt, erschöpft und kurz davor, mit einem Kind niederzukommen. Langsam gingen ihr die Möglichkeiten aus. Sie würde einem der Vampire vertrauen müssen. Also öffnete sie die Tür der Kutsche und rief der Vorhut zu: »Euer Gnaden, ich habe einen Vorschlag für Sie.«
Der Duke of Hematol drehte sich zu ihr um.
»Wir brauchen Hilfe, und wir brauchen ein Ablenkungsmanöver, wenn wir es zu unserem Ziel schaffen wollen.«
»Was schlagen Sie vor, Lady Maccon?«
»Dass wir die Hunde loslassen.«
»Und wie sollen wir das anstellen? Sie können auf keinen Fall von hier bis zum Herrenhaus laufen, keiner von uns kann Sie nach Woolsey tragen, und kein Claviger würde dem Wort eines Vampirboten Glauben schenken.«
»Hören Sie gut zu, Sie werden ihnen mitteilen, dass Lady Maccon sagt, es handle sich um eine dringliche Angelegenheit. Die Alpha benötigt die Unterstützung ihres Rudels, ungeachtet seines gegenwärtigen Zustands.« Jetzt werde ich die geheime Losung ändern müssen.
»Aber …«
»Es wird funktionieren. Sie müssen mir vertrauen.« Natürlich war sie sich nicht sicher. Eine dringliche Angelegenheit war Lady Maccons Rudel-Code als Muhjah. Bisher war es kaum jemals nötig gewesen, diese Losung zu benutzen. Würde die Botschaft überhaupt verstanden werden?
Der Duke bedachte sie mit einem langen Blick. Dann wirbelte er herum und rannte los. Mit beinahe ebenso großer Leichtigkeit wie ein Werwolf sprang er über den umgestürzten Baum und hielt schnurstracks und mit übernatürlicher Schnelligkeit auf das Herrenhaus zu.
Nun, da einer ihrer Ältesten und Weisesten fort war und der große Metall-Oktopus drohend über ihrer schutzlosen Königin aufragte, wurden die Vampire um Lady Maccon selbst ein klein wenig verrückt. Nicht ganz so wahnsinnig wie die Countess, aber definitiv irre. Einer von ihnen griff den Oktomaten an, nur um von einem der Tentakel mühelos beiseitegefegt zu werden.
Die metallene Kreatur hob einen anderen Tentakel an seinen Augenschlitz, die Spitze öffnete sich, und erneut klappte das Megafon heraus, das es Madame Lefoux erlaubte zu sprechen.
»Geben Sie mir Quesnel. Sie haben keine andere Möglichkeit mehr.« Es folgte eine kurze Pause. »Alexia, ich kann es kaum glauben, dass Sie Vampiren helfen. Sie haben versucht, Sie zu töten!«
Alexia steckte den Kopf aus dem Fenster der Kutschentür und brüllte: »Na und? Vor Kurzem haben Sie ebenfalls versucht, mich zu töten. Fast könnte ich auf den Gedanken kommen, Mord wäre ein Ausdruck der Zuneigung!«
Das Schreien strengte sie ungemein an, und sie ließ sich wieder zurück in die Kutsche fallen und umklammerte stöhnend ihren Bauch. Sie hasste es, dass sie sich das eingestehen musste, aber sie hatte Angst.
Da erklang ein Laut, den Alexia im vergangenen Jahr so sehr lieben gelernt hatte.
Wölfe. Heulende Wölfe.
16
Ein Schwarm Vampire
D as Woolsey-Rudel war eine große Gemeinschaft und bestand aus einem Dutzend Werwölfen. Normalerweise waren sie auch eines der manierlicheren Rudel. Andere Rudel bezeichneten Woolsey, wenn sie gehässig sein wollten, deshalb als zahm.
Aber bei Vollmond benahm sich kein Werwolf manierlich.
Lady Maccon wusste sehr genau, dass sie ein großes Risiko einging. Sie wusste außerdem, dass ihr Geruch ihren Ehemann anlocken würde. Selbst in der Qual des Vollmondfluchs würde er zur ihr laufen. Womöglich würde er sogar versuchen, sie zu töten, aber auf jeden Fall würde er kommen. Er war nicht ohne Grund Woolseys Alpha, mit genug Charisma, um sein Rudel zusammenzuhalten, ganz gleich, wie stark das Verlangen war, auszubrechen und auf der Suche nach Blut und rohem Fleisch übers Land zu jagen. Was bedeutete, dass sie ihm alle folgen würden. Hierher. Zur ihr.
Und so kam es auch.
Sie strömten aus den Türen und Fenstern im Erdgeschoss des Hauses, und ihr Heulen erfüllte die Nacht. Sie verschmolzen zu einer zusammenhängenden, beweglichen Masse, wie eine Art Flüssigkeit, und flossen als einzelner silberner Tropfen den Hügel hinab, wie Quecksilber auf der Handfläche eines Wissenschaftlers. Das Heulen wurde ohrenbetäubend, als sie näher kamen, und sie waren flinker, als Alexia es in Erinnerung hatte, voller ewiger Wut auf eine Welt,
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