Fey 01: Die Felsenwächter
ging ihm auf, was der Mann gerade gesagt hatte. Seit wann wußten die Inselbewohner über diese Beutel Bescheid?
»Wer … wer seid Ihr?« stieß er hervor und drehte sich dabei mit dem Rücken zur Wand, um besser gedeckt zu sein.
Das Lächeln des Mannes wurde so breit, daß seine Augen fast unter den Fältchen verschwanden. »Quartiermeister Grundy«, erwiderte er leichthin, als fände er den Namen amüsant.
»I-Ihr habt keine Flasche«, sagte Fledderer.
»Natürlich nicht«, antwortete der Mann. »Der Inhalt würde mich umbringen.«
Erst vergaß Fledderer vor lauter Überraschung den Mund zu schließen; dann klappte er ihn schnell zu. Umbringen? Er runzelte die Stirn und lehnte sich dann Halt suchend gegen die Mauer, als seine Knie weich wurden. Fey. Der Mann sprach Fey. Es war unmöglich, daß ein Inselbewohner diese Sprache beherrschte. Er blickte in die Schweinsäuglein des Mannes. Er war zu weit entfernt, um erkennen zu können, ob sich Goldflecken darin befanden.
»Wer bist du?« wiederholte er.
Der Mann lachte. Sein meckerndes Gelächter erhob sich über das Stöhnen der Sterbenden. »Ach, Fledderer. Ich bin dein alter Freund Schattengänger. Erkennst du mich nicht?«
Der Doppelgänger. Fledderer rutschte jetzt endgültig auf den Boden und landete mit dem Hinterteil im Schlamm. Die Erleichterung machte ihn ganz kraftlos. »Ich dachte, du würdest mich töten.«
»Das würde ich auch gerne.« Jetzt lächelte Schattengänger nicht mehr. »Du hast kein Blut für mich. Ich bin im falschen Körper. Ich muß noch einmal wechseln.«
Einen Augenblick lehnte Fledderer den Kopf gegen die Knie. Er atmete mehrmals tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Schattengänger. Irgendwo hatte Schattengänger gelernt, Rotkappen gegenüber tolerant zu sein. Er war der einzige Doppelgänger, der Fledderer mit einem gewissen Respekt behandelte.
Als Fledderer wieder das Gefühl hatte, einigermaßen normal atmen zu können, warf er einen Blick auf die Schwarzen Talare. Sie standen noch immer dichtgedrängt am Tor. »Ein Quartiermeister?« sagte er, als hätte er die Bedeutung des Wortes erst jetzt begriffen. »Einer, der für die Baracken zuständig ist?«
»Ich hatte nur wenig Vorbereitungszeit«, gab Schattengänger unwirsch zurück.
»Wer sind diese Inselbewohner mit den Flaschen dort drüben?« Fledderer blickte Schattengänger immer noch nicht an. Die Fey, die in nächster Nähe der Ladenzeile lagen, hatten aufgehört zu stöhnen. Sie sahen tot aus.
»Es sind Daniten. Religiöse Inselbewohner.« Schattengänger sprach mit ausdrucksloser Stimme. Fledderer warf ihm einen Blick zu. Die Haut des Doppelgängers war von der Hitze gerötet, Schweiß tropfte ihm vom Haaransatz. Der Körper, den Schattengänger gewählt hatte, war in jeder Hinsicht ungeeignet. Er war weder durchtrainiert noch beweglich. »Ich verstehe es auch nicht. Grundy weiß nichts von den magischen Kräften der Daniten. Er hat sie auch noch nie als Krieger erlebt. Entweder habe ich einen ungewöhnlich dämlichen Wirt, oder irgend etwas stimmt hier nicht.«
»Alles ist so merkwürdig«, sagte Fledderer. »Als läge ein Fluch auf uns.«
Schattengänger nickte. Er starrte über Fledderers Kopf hinweg auf die hinter ihnen liegende Straße.
»Wirst du einen von denen übernehmen?«
Schattengänger schüttelte den Kopf. »Grundy ist im Augenblick recht nützlich. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ein Danite der richtige Ort für mich wäre. Im allgemeinen haben sie keinen Zutritt zum König, und das ist ja schließlich mein Auftrag. Außerdem sind sie nicht besonders mächtig. Ich frage mich, ob uns ein Fey verraten hat.«
»So etwas würde keiner von uns tun«, antwortete Fledderer, aber noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, war die Überzeugung aus seiner Stimme gewichen. Er erinnerte sich an Unterhaltungen auf dem Schiff, an Visionen, die im Widerspruch zu Rugars offen zur Schau getragener Zuversicht standen. Kein Fey würde jemals gegen eine Vision handeln. Aber es hatte auch noch niemals Überläufer unter den Fey gegeben.
»Ist Shimas Truppe im Palast?« fragte Schattengänger. Die Frage war weniger zur Information als zur bloßen Bestätigung gestellt worden.
Fledderer nickte. Die Schwarzkittel berieten immer noch. Die Fey, die sich zur ihren Füßen krümmten, schienen sie gar nicht zu bemerken.
»Dann ist Jewel auch dort«, sagte Schattengänger.
Fledderer erstarrte. Die Enkelin des Schwarzen Königs. Die Frauen aus dieser Dynastie
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