Fey 04: Die Nebelfestung
schließlich die meisten Hautstreifen selbst gesammelt.
Von lebenden Opfern.
»Und?« fragte Streifer.
Tazy schüttelte den Kopf.
Streifer wartete, doch Tazy sagte nichts mehr. »Mit einem einfachen Kopfschütteln ist es nicht getan«, sagte Streifer. »Berichte mir.«
Tazys Mütze war zerrupft und mit winzigen Löchern überzogen. Auf seiner Haut waren Kratzer und blaue Flecken zu sehen, die Knie waren grasgrün.
»Wir haben niemanden gefunden«, sagte er.
Streifer legte das letzte Hautstück vorsichtig auf den Tisch, um es nicht zu zerreißen. Dann ballte er die Fäuste und ließ sie auf die Oberschenkel sinken. »Ich nehme an, ihr habt überall nachgesehen.«
Tazy hob den Kopf. »Du hast uns ausgesandt.«
»Ich habe euch ausgesandt, um den Jungen zu finden, nicht, damit ihr ohne ihn zurückkehrt.«
»Dann mußt du einen Möwenreiter losschicken. Wir haben nichts finden können.«
Streifer nickte kurz. »Nichts?«
Tazy bohrte einen Finger durch eines der Löcher in seiner Mütze. Obwohl er doppelt so alt wie Streifer war, sah er jünger aus, als hätte er keine Kindheit gehabt. Kaum zu glauben, daß diese Finger über die Zauberkraft und die Präzision verfügten, eine Hautschicht säuberlich von der anderen zu trennen.
»Sie sind nicht auf dem Weg gegangen …«
»Das weiß ich«, fiel ihm Streifer ins Wort.
»… und sie sind unseres Wissens nach auch nicht zum Blumenfluß.«
»Dort habe ich bereits andere Suchtrupps hingeschickt. Habt ihr jemanden in Jahn?«
Tazy fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Finger hatte ein großes Loch in die Mütze gebohrt. »Niemand wollte dorthin gehen.«
»Niemand wollte gehen?« Streifers Stimme blieb ruhig. »Obwohl der Befehl von einem Hüter kam?«
»Deine Befehle waren nicht so detailliert …«
»Meine Befehle waren präzise«, sagte Streifer. »Ich habe angeordnet, daß du mit deinen Leuten so lange draußen bleibst, bis sie diesen Jungen gefunden haben.«
Tazy stülpte die Mütze von innen nach außen und stopfte sie dann in die Tasche seines Wamses. »Meine Leute sind immer noch draußen. Aber sie werden nichts finden. Der Junge ist verschwunden.«
»Niemand verschwindet einfach so«, sagte Streifer. »Jeder hinterläßt Spuren, sogar Doppelgänger und Gestaltwandler. Ihr müßt nur wissen, wonach ihr zu suchen habt.«
»Deshalb meinte ich ja, du sollst einen Reiter losschicken, der ihn vielleicht aus der Luft ausfindig macht.«
»Vielleicht sollte ich Rugar auch raten, die Führung der Fußsoldaten einem anderen zu übertragen. Offensichtlich bist du der Aufgabe nicht mehr gewachsen.«
»Ich erledige meine Aufgaben noch immer gut«, erwiderte Tazy. »Dieser Junge ist etwas Besonderes. So etwas haben wir bisher noch nie verloren.«
»Habt ihr alles genau durchsucht?«
»Abgebrochene Zweige, die zum Fluß hinunter führten. Dann nichts mehr.«
»Was heißt das? Ist er ertrunken?«
»Wäre immerhin möglich«, antwortete Tazy.
»Möglich? Möglich? Wie wahrscheinlich ist es, daß sich jemand, der sein ganzes Leben im Schattenland verbracht hat, einem fließenden Gewässer nähert? Wie wahrscheinlich ist es, daß ein Junge, der noch nie im Wald gewesen ist, zwei Dutzend Fey an der Nase herumführt?«
»Es ist geschehen«, sagte Tazy.
»Weil du es zugelassen hast.« Streifer zitterte. Diese Narren. »Ist dir klar, was du damit angerichtet hast?«
Tazy schüttelte den Kopf. Er war nicht dumm. Niemals würde er versuchen, einen Hüter hinters Licht zu führen.
»Du hast deine schönsten Zukunftsaussichten entwischen lassen. Er kann Verzaubern, dieser Junge.«
»Er ist ein Inselbewohner.«
»Er ist magisch«, sagte Streifer. »Und ich kenne einen Zauberbann, der ihr Gift neutralisiert. Aber dazu brauchen wir einen Zaubermeister. Er ist der einzige, den wir haben.«
»Hättest du mir das früher gesagt …«
»Früher? Wann denn früher? Hättest du dir dann mehr Mühe gegeben? Willst du das damit sagen? Bist du froh, daß das Inselkind entwischt ist? Hast du meine Befehle deshalb nicht befolgt – weil du die Inselleute nicht magst?«
»Ich wußte nicht, daß er magische Kräfte hat.«
»Bis vor ein paar Tagen wußte ich das auch noch nicht. Ich brauche diesen Jungen immer noch.«
Tazy zog die Mütze wieder hervor und drehte sie in der Hand. »Wir können ja noch weitersuchen«, sagte er.
»Allerdings«, meinte Streifer.
»Aber ich glaube, die Spur ist kalt. Wir haben die abgebrochenen Zweige erst gestern entdeckt. Wir wissen
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