Fey 04: Die Nebelfestung
womöglich preis.
Allein bei der Vorstellung wollte sich Nicholas’ Magen umdrehen.
»Wenn das wahr ist«, sagte Stowe, »dann treibt ihn ein Kampf gegen ihn noch mehr in die Defensive. Es muß so aussehen, als arbeiteten wir mit ihm zusammen. Dann, und nur dann, fühlt er sich sicher genug, die Geheimnisse weiterzugeben.«
Nicholas schüttelte den Kopf. Ihm war jetzt tatsächlich körperlich übel. »Ich kann nicht mit ihm zusammenarbeiten. Ich kann ihm nicht helfen. Er hat Jewel umgebracht.«
»Verzeiht, Sire, wenn ich Euch belehre, aber genau darin liegt die Schwierigkeit Eurer Position. Ihr müßt alles ins Gleichgewicht bringen. Und das Schicksal der Insel wiegt momentan schwerer als das, was der Rocaan Jewel angetan hat. Tut mir leid, es so kraß sagen zu müssen.« Stowe hüpfte vor Aufgeregtheit beinahe auf und ab. Er wußte sehr wohl, daß er sich auf gefährlichem Gelände bewegte, doch je mehr er sich entschuldigte, um so besser hörte Nicholas zu. »Wenn wir Matthias weismachen, wir beschützten ihn, und ihn dabei in Wirklichkeit unter Hausarrest stellen, kommt er vielleicht so weit zur Ruhe, daß er Hilfe sucht. Sogar heute nachmittag versuchte er, mit Euch zusammenzuarbeiten.«
»Das hat sich inzwischen bestimmt geändert«, sagte Nicholas.
»Oder auch nicht. Der Mann ist von allen Seiten belagert. Er findet nirgendwo Unterstützung, und, wenn unsere Berichte nicht lügen, fehlt ihm sogar der Glaube, auf den er sich zurückziehen könnte. Ihr, die Ältesten und die Fey haben sich gegen ihn gestellt. Wenn Ihr ihn in die Arme schließt, wird er auch Euch umarmen.«
»Ich kann ihm nicht sagen, er habe richtig gehandelt.« Nicholas drehte sich zur Seite. Seine Stimme brach, und seine Augen brannten. »Denn das hat er nicht.«
»Das weiß ich, Sire. Aber wir können mit den Wachen eine Nachricht übermitteln, die besagt, daß Ihr Euch dazu entschlossen habt, ihn zu beschützen. Die Debatte verschieben wir auf später.« Stowe legte eine Hand auf Nicholas’ Arm. »Laßt die Lords an Eurer Statt lügen. Ich werde es tun. Ich erzähle ihm alles Notwendige, um ihn dazu zu bringen, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Und was dann?« fragte Nicholas.
»Sobald wir im Besitz der Geheimnisse sind, lassen wir die Ältesten dem Volk gegenüber ihre Meinung verkünden. Sie sollen dem Volk erklären, daß er ein falscher Rocaan ist, der damals lediglich die Gelegenheit beim Schopf gepackt hat. Wir lassen sie ein neues Oberhaupt bestimmen, und dann könnt Ihr ihn nach Eurem Gutdünken bestrafen.«
Nicholas entfernte sich von Stowe. Der Korridor war kalt und feucht geworden, weil er schon seit langer Zeit nicht mehr bewohnt war. Es handelte sich um den alten Familienflügel, aus der Zeit vor mehreren Generationen, als Nicholas’ Familie noch viele Kinder hatte. Später waren es Gästezimmer geworden, doch seitdem der Handel mit Nye zum Erliegen gekommen war, standen sie leer. Schon seit Jahren hatte der Palast keine Gäste mehr beherbergt.
»Lügen und Finten ist alles, was Ihr mir vorzuschlagen habt«, sagte Nicholas. »Auf diese Weise kann ich doch niemals mehr ehrlich und aufrichtig handeln.«
»Das stimmt«, erwiderte Stowe ungerührt. Seine Stimme klang ruhig und sehr kummervoll, als wüßte er, daß Nicholas davon überhaupt nicht begeistert sein würde. »Die Zeit, in der Ihr jeder Eurer Launen sofort Ausdruck verleihen durftet, sind vorüber, Hoheit.«
Damit sagte er Nicholas, so gut er eben konnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, daß es ein Fehler gewesen sei, Matthias zur Rede zu stellen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen. Als König. Als Mensch jedoch war er nicht weit genug gegangen.
»Ich werde niemals in der Lage sein, ruhig mit ihm zu reden«, sagte Nicholas. »Ich kann ihm nicht sagen, daß ich seine Methoden gutheiße!«
»Mit ein wenig Glück werdet Ihr das niemals tun müssen.«
»Mit ein wenig Glück?« Nicholas spie die Worte förmlich aus. »In letzter Zeit bin ich nicht gerade mit Glück gesegnet gewesen, oder?«
»Nein, Sire.«
Nicholas holte tief Atem. Stowe hatte recht. Er mußte an die Blaue Insel denken. Und an seine Kinder.
»Eure Idee mit dem Hausarrest gefallt mir«, sagte Nicholas. »Beraumt eine Sitzung mit den Ältesten an. Sie wird hier stattfinden, damit Matthias nichts davon mitbekommt. Ich werde ihnen unseren Plan erläutern.«
»Nein«, erwiderte Stowe. »Je weniger wissen, daß die Wachen eigentlich Gefängniswärter sind, desto besser. Es ist klüger,
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